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Pilot aus der Schweiz ist kein Grenzgänger

Bundesfinanzhof urteilt zum Doppelbesteuerungsabkommen bei internationalem Luftverkehr
Pilot aus der Schweiz ist kein Grenzgänger
Aktuelles
09.12.2024 — Lesezeit: 4 Minuten

Pilot aus der Schweiz ist kein Grenzgänger

Bundesfinanzhof urteilt zum Doppelbesteuerungsabkommen bei internationalem Luftverkehr

Bei den vielen Regelungen zum grenzüberschreitenden Arbeiten kann man schon mal von der Route abkommen. So auch der Steuerpflichtige in dem Fall, den der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 1. August 2024 (VI R 32/21) zu entscheiden hatte. Ob Grenzgänger oder Steuerpflicht in Deutschland – der BFH half bei der Navigation durch das Gesetzesdickicht.

Pilot aus der Schweiz fliegt international

Der Steuerpflichtige, ein angestellter Pilot, der von seinem Arbeitgeber im internationalen Luftverkehr für Interkontinental-/Langstreckenflüge eingesetzt wird, hatte im Streitjahr seinen ausschließlichen Wohnsitz in der Schweiz. Er war arbeitsvertraglich als Pilot einem Flughafen in Deutschland zugeordnet, von dem aus seine Starts und Landungen erfolgten.

Das Unternehmen behielt im Streitjahr vom Arbeitslohn Lohnsteuer sowie Solidaritätszuschlag ein. Der Steuerpflichtige beantragte beim Finanzamt die Erstattung von zu viel einbehaltener Lohnsteuer in Höhe des Betrags, um den diese die Quellensteuer von 4,5 % des Bruttobetrags der Vergütungen überstieg. Denn der Pilot war der Ansicht, er sei ein typischer Grenzgänger im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens mit der Schweiz. Das Finanzamt lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass er die maßgebenden Nichtrückkehrtage überschritten hätte. Aber auch, wenn diese nicht überschritten wären, habe die Regelung zu Bordpersonal, und damit das Besteuerungsrecht von Deutschland, Vorrang. Dagegen klagte der Steuerpflichtige.

Geschäftsleitung im Inland maßgebend

Der BFH urteilte jedoch ebenfalls für eine Steuerpflicht der Vergütungen in Deutschland. Der in der Schweiz ansässige Pilot war im Streitjahr mit seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Deutschland beschränkt steuerpflichtig. Der Arbeitgeber war daher als inländischer Arbeitgeber verpflichtet, Lohnsteuer einzubehalten. Tätigkeiten, die an Bord eines im internationalen Luftverkehr eingesetzten Flugzeugs ausgeübt werden, das von einem Unternehmen mit Geschäftsleitung im Inland betrieben wird, führen zu  in Deutschland steuerpflichtigen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

Das deutsche Besteuerungsrecht wird auch nicht vom Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz eingeschränkt. Nach diesem können Vergütungen für unselbständige Arbeit, die an Bord eines international agierenden Flugzeugs ausgeübt wird, in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet. Dies gilt vorrangig vor den allgemeinen Regelungen des Doppelbesteuerungsabkommens zur Zuordnung des Besteuerungsrechts von Arbeitslohn. Der Arbeitgeber des Steuerpflichtigen hat seine tatsächliche Geschäftsleitung in Deutschland, wo die Vergütungen des Klägers auch besteuert wurden.

Grenzgängerregelung schränkt Besteuerungsrecht von Deutschland nicht ein

Der Steuerpflichtige begehrte jedoch als Grenzgänger behandelt zu werden. Grenzgänger im Sinne des DBA ist jede in einem Vertragsstaat ansässige Person, die in dem anderen Vertragsstaat ihren Arbeitsort hat und von dort regelmäßig an ihren Wohnsitz zurückkehrt. Kehrt diese Person nicht jeweils nach Arbeitsende an ihren Wohnsitz zurück, entfällt die Grenzgängereigenschaft nur dann, wenn die Person an mehr als 60 Arbeitstagen jährlich aufgrund ihrer Arbeitsausübung nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt.

Nach Ansicht des BFH ergibt sich jedoch auch aus der Grenzgängerregelung keine Einschränkung des deutschen Besteuerungsrechts. Denn dafür seien die Voraussetzungen bei der vom Steuerpflichtigen ausgeübten Tätigkeit als Pilot im internationalen Verkehr von vornherein nicht erfüllt. Die Anzahl der Nichtrückkehrtage und ihre konkrete Berechnung im Fall von Bordpersonal spielt daher im vorliegenden Fall keine Rolle und wurde vom BFH auch nicht weiter thematisiert.

Grenzgängerregelung erfordert tatsächliche Arbeitsausübung

Im Streitfall steht der Grenzgängereigenschaft bereits entgegen, dass der Pilot abkommensrechtlich keinen Arbeitsort in Deutschland hat, von dem aus er regelmäßig an seinen Wohnsitz in der Schweiz zurückkehrt. Arbeitsort ist abkommensrechtlich grundsätzlich der Ort, wo sich der Arbeitnehmer zur Arbeitsausübung tatsächlich physisch aufhält. Entgegen der Ansicht des Steuerpflichtigen kommt es daher nicht auf die dienst- oder arbeitsrechtliche Zuordnung des Arbeitnehmers an.

Nach diesen Maßstäben ist der abkommensrechtliche Arbeitsort des Piloten an Bord der von ihm geführten Flugzeuge belegen. In Deutschland übte er seine Arbeit jeweils nur kurzzeitig aus. Ansonsten befand er sich stets für mehrere Tage auf Langstreckenflügen. Während des wesentlichen Teils seiner Arbeit war der Pilot folglich weder in Deutschland tätig noch kehrte er von dort regelmäßig zu seinem Wohnort in der Schweiz zurück. Eine Person, die ihre eigentliche Arbeit an Bord eines Luftfahrzeugs im internationalen Verkehr ausübt, kann daher kein Grenzgänger sein.

Tipp: Das Urteil des BFH zeigt, wie komplex die steuerliche Behandlung grenzüberschreitender Tätigkeiten sein kann. Eine fehlerhafte steuerliche Würdigung und Besteuerung im falschen Staat kann zu hohen finanziellen Belastungen führen, wenn es für nötige Korrekturen zu spät ist. Steuerpflichtige sollten sich daher vorab von einem auf internationales Steuerrecht spezialisierten Steuerberater beraten lassen.

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