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„Nicht alles, was technisch möglich ist, macht wirtschaftlich Sinn“

Interview mit Manuel Fuchs, Prokurist bei ETL Prüfung & Beratung, über künstliche Intelligenz
„Nicht alles, was technisch möglich ist, macht wirtschaftlich Sinn“
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01.07.2022 — zuletzt aktualisiert: 03.07.2023 — Lesezeit: 6 Minuten

„Nicht alles, was technisch möglich ist, macht wirtschaftlich Sinn“

Interview mit Manuel Fuchs, Prokurist bei ETL Prüfung & Beratung, über künstliche Intelligenz

Prozesse optimieren und wiederkehrende Aufgaben vereinfachen: Künstliche Intelligenz findet immer mehr Anwendung im Arbeitsalltag. Im Rahmen der KI-Woche des Digital Campus Zollverein tauschten sich Unternehmen und Institutionen, zukunftsweisende Initiativen sowie Projektverantwortliche über die Entwicklung und den Einsatz von künstlicher Intelligenz aus. Auch ETL Prüfung & Beratung war vor Ort und informierte mit dem Vortrag „Falsche Erwartungen – Wie KI wirklich funktionieren kann“ darüber, wie bei richtiger Umsetzung ein Mehrwert aus KI entsteht. Manuel Fuchs, Prokurist und IT-Spezialist bei ETL Prüfung & Beratung, weiß, worauf es beim Einsatz von künstlicher Intelligenz ankommt.

Herr Fuchs, mit Fortschreiten der digitalen Transformation steigt auch der Einsatz von künstlicher Intelligenz immer weiter an. Welche Chancen ergeben sich bei der Nutzung von KI?
Wir haben insgesamt einen sehr großen Anwendungsbereich, denn alle Branchen, private Unternehmen, öffentliche Einrichtungen können von KI profitieren, insbesondere bei der Massendatenverarbeitung. Gerade im Wirtschaftsprüfungsbereich gab es in der letzten Zeit schon viele Automatisierungen, die mit einer KI intelligent ausgestaltet werden können. Ein Riesenvorteil beim Einsatz von KI ist natürlich, dass man auf diesem Weg auch dem Fachkräftemangel begegnen kann. Das gilt für sehr viele Branchen, nicht nur Wirtschaftsprüfer haben es schwer, Mitarbeiter zu akquirieren. Zudem kann KI viel tiefgreifendere Erkenntnisse haben als ein Mensch, der händisch prüft. Das ist eine enorme Chance in der Wirtschaftsprüfung, um einen anderen Blickwinkel im Rahmen der Prüfungen zu bekommen.

Die Erwartungen an künstliche Intelligenz sind hoch. Allerdings sind KI keine autonomen Roboter, sondern lernen mit Hilfe von Datensätzen. Wie genau funktioniert KI?
Ganz einfach gesagt: Die Basis ist ein klassischer Algorithmus. Dieser besteht aus fest vorgegebenen Entscheidungsbäumen. Bei einem Algorithmus kommen bei gleichen Voraussetzungen und gleichen Daten immer dieselben Ergebnisse heraus. Das ist bei künstlicher Intelligenz anders. KI lernt auf Basis der eingespielten Daten, bestimmte Parameter anders zu bewerten und so kann sich bei einer KI das Ergebnis beziehungsweise eine Entscheidung auf Basis größerer Daten ändern. Teilweise treffen KI auch Entscheidungen auf der Grundlage von Schätzungen und Beobachtungen. Dabei spricht man von sogenannten heuristischen Methoden. Bei der Auswertung der Daten lernen sie dann selbstständig weiter. Vielfach sind im Bereich der KI neuronale Netze im Einsatz, darunter kann man sich viele Schichten von Daten vorstellen, deren Informationen parallel verarbeitet werden können, was eine enorme Geschwindigkeit erzeugt.

Auch in der Wirtschaftsprüfung findet künstliche Intelligenz immer mehr Anwendung. An welchen Stellen kann und sollte KI eingesetzt werden?
Im WP-Bereich sprechen wir insbesondere über die Kernaufgabe eines Wirtschaftsprüfers: die Jahresabschlussprüfungen. Hier spielt die Prüfung von Massendaten eine entscheidende Rolle. Im Rahmen einer Jahresabschlussprüfung beinhalten die Finanzbuchhaltungssysteme viele Hunderttausende bis Millionen Datensätze, von denen sich der Prüfer ein Bild machen und diese beurteilen muss. Das funktioniert händisch gar nicht mehr. Mit Hilfe von KI können Prüfer beispielsweise Haupt- und Nebenbücher abstimmen, aber auch bei Inventurbeobachtungen kann KI unterstützen. Bereits heutzutage sind beispielsweise mit KI-Systemen ausgestattete Drohnen für Zählvorgänge im Einsatz.

Sowohl große als auch kleine und mittelständische Unternehmen wollen Schritt für Schritt künstliche Intelligenz in ihre Arbeitsabläufe integrieren, um alltägliche Aufgaben zu vereinfachen. Wie sollten Unternehmen vorgehen?
Als erstes sollten kleine und mittlere Unternehmen eine Potentialeinschätzung vornehmen und prüfen, was sie durch KI erreichen können und ob das wirtschaftlich sinnvoll ist. Vor allem Themen wie Stammdatenpflege und IT-Sicherheit müssen als Basis sauber aufgestellt sein, genauso wie die Datenschutzorganisation. Künstliche Intelligenzen arbeiten mit großen Datenmengen und brauchen eine saubere Datenbasis, sonst entstehen Fehler.

In der Anwendung birgt KI allerdings auch einige Tücken. Wie kann man diesen Herausforderungen begegnen?
Eine KI ist keine Plug-and-Play-Lösung. Sie funktioniert nicht einfach, sondern man muss sich darum kümmern und sie anlernen. Das erfordert stetige Kontrolle und Datenaktualisierung. Nicht zu vernachlässigen ist auch die Nachprüfbarkeit von KI. Voraussetzung dafür ist eine detaillierte Dokumentation der KI-Systeme, um verstehen zu können, warum eine KI diese oder jene Entscheidung getroffen hat. Alleine ist das oft gar nicht machbar, dafür braucht man Experten an seiner Seite.
Gerade weil KI-Systeme mit vielen und teils besonders schützenswerten Daten arbeiten, ist Datenschutz ein ganz wichtiges Thema. Hier unterstützt die Politik. In puncto IT-Sicherheit steckt unter anderem das BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) den gesetzlichen Rahmen ab und hat einen Kriterienkatalog für Cloudsysteme unter Nutzung von KI herausgegeben. Das schafft eine Orientierung, wie man den Herausforderungen von KI begegnen kann. 2019 hat die EU-Kommission einen Gesetzesentwurf zum Umgang mit KI-Systemen herausgebracht, insbesondere in Bezug auf Grundrechte, Sicherheit und Privatsphäre. Auch die Regulierung in Bezug auf KI ist ein laufender und sich stetig verändernder Prozess.

KI beeinflusst die Arbeitsweise in Unternehmen mehr und mehr, wodurch sich auch die Anforderungen an Mitarbeiter – zum Beispiel an Wirtschaftsprüfer – ändern. Welche Fähigkeiten sollten Wirtschaftsprüfer künftig mitbringen, um der digitalen Transformation durch KI gewachsen zu sein?
Wir prüfen nicht mehr wie vor 40 Jahren. Der Mitarbeiter von morgen braucht ganz klar ein höheres Verständnis von IT, im Zweifel auch eine spezielle Ausbildung. Aber auch langjährige Wirtschaftsprüfer müssen sich mit den neuen Systemen und Standards auseinandersetzen und sich darauf einlassen. Der Wirtschaftsprüfer muss – wie bereits jetzt der IT-Prüfer – die Schnittstelle zwischen Rechnungswesen und IT darstellen. Inzwischen sind im WP-Bereich nicht nur BWL-Absolventen, sondern auch Wirtschaftsinformatiker, Wirtschaftsingenieure und Mathematiker gefragt. Diese Qualifikationen werden zunehmend wichtiger.

Mit Blick in die Zukunft: wie wird sich die Arbeitswelt durch KI verändern?
Durch die Schnelllebigkeit ist das natürlich schwer vorherzusehen. Ein großer Punkt ist auf jeden Fall der Fachkräftemangel. Diesem kann man unter anderem durch KI begegnen. Zudem vereinfacht KI alltägliche Prozesse und führt dazu, dass Mitarbeiter sich auf wesentliche Aufgaben konzentrieren können. Außerdem ergeben sich durch KI ganz neue Geschäftspotentiale, beispielsweise auf Basis einer KI-gestützten Datenbewirtschaftung. Daten beziehungsweise die Zusammenführung bestimmter Daten können verkauft werden, zu neuen Erkenntnissen führen und das wird zukünftig noch eine ganz spannende Entwicklung nehmen.

 

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