Künstler ist nicht gleich Künstler
Das Bundessozialgericht hat kürzlich in drei Entscheidungen die Frage beantwortet, ob und unter welchen Bedingungen Tänzer, Tätowierer und Hochzeitsredner in der Künstlersozialkasse pflichtversichert sind. Danach wurde für Tänzer und Tätowierer unter bestimmten Voraussetzungen die Mitgliedschaft bejaht, für Hochzeitsredner aber abgelehnt. Fraglich ist nun, wie diese Sachverhalte steuerlich zu beurteilen sind. Ist ein Künstler im Sinne der Sozialversicherung auch ein Künstler im Einkommensteuerrecht?
Wann liegt eine künstlerische Tätigkeit vor?
Eine künstlerische Tätigkeit liegt im Steuerrecht vor, wenn die Arbeiten nach ihrem Gesamtbild eigenschöpferisch sind und über eine hinreichende Beherrschung der Technik hinaus eine bestimmte künstlerische Gestaltungshöhe erreichen. Das bedeutet, dass die Tätigkeit die individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft des Steuerpflichtigen zum Ausdruck bringen muss. Dabei ist nicht jedes einzelne von dem Künstler geschaffene Werk für sich, sondern die gesamte von ihm im Kalenderjahr ausgeübte Tätigkeit zu würdigen.
Künstler oder Gewerbetreibender
Gewerbliche Einkünfte hingegen setzen eine selbständige, nachhaltige Betätigung mit Gewinnerzielungsabsicht voraus, die sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und nicht als Ausübung eines freien Berufs anzusehen ist. Die Unterscheidung ist im Einzelfall schwierig und hat schon oftmals die Finanzgerichte beschäftigt. Die Finanzverwaltung hat daher auch in ihren Richtlinien viele Beispiele und Einzelfälle geregelt.
Bei der Abgrenzung können folgende Kriterien helfen: Bei künstlerischen Tätigkeiten muss eine kreative und individuelle Leistung vorliegen, die sich von rein handwerklichen Tätigkeiten abhebt. Tätigkeiten, deren Ergebnisse primär einem praktischen Gebrauchszweck dienen, wie etwa bei Kunsthandwerkern, sind in der Regel gewerblich. Hier ist jedoch eine Einzelfallprüfung notwendig, um festzustellen, ob eine künstlerische Komponente vorliegt. Bei den freien Künsten kann auf die gewisse künstlerische Gestaltungshöhe verzichtet werden, wenn die Werke nach allgemeiner Verkehrsauffassung als Kunst anzusehen sind.
Lasst uns tanzen
Bei Tänzern wird die Abgrenzung von selbständiger Tätigkeit und Gewerbebetrieb insbesondere immer dann schwierig, wenn diese nicht (nur) mehr selbst auf der Bühne stehen, sondern auch in die unterrichtende Tätigkeit, insbesondere durch den Betrieb von Tanzschulen, wechseln. Beschäftigt ein Tanzlehrer Angestellte, ist er nur dann weiter freiberuflich tätig, wenn er aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird. Dabei muss die persönliche Teilnahme an der praktischen Arbeit in ausreichendem Maße gewährleistet sein. Neben der höchstpersönlichen Durchführung von Kursen sollte er die Inhalte der Kurse bestimmen sowie die Durchführung der Kurse und die Mitarbeiter entsprechend überwachen und anleiten.
Vorsichtig müssen Tanzlehrer auch bei Zusatzleistungen, wie dem Verkauf von Getränken, sein. Während gewerbliche Aktivitäten eines einzelnen Tanzlehrers nicht dazu führen können, dass die Tanzlehrertätigkeit „infiziert” wird und die Einkünfte damit insgesamt zu gewerblichen Einkünften werden, sieht das bei Tanzschulen, die in Form einer Personengesellschaft geführt werden, schon anders aus.
Die Tätigkeit einer Personengesellschaft gilt in vollem Umfang als Gewerbebetrieb, wenn die Gesellschaft auch eine gewerbliche Tätigkeit ausübt. Dabei reicht eine geringfügige gewerbliche Tätigkeit aus. Der Bundesfinanzhof sieht eine Gewerblichkeit nicht als gegeben an, wenn die Umsätze aus dieser Tätigkeit nicht höher sind als 3 Prozent der Gesamtnettoumsatzerlöse der Gesellschaft und dabei den Betrag von 24.500 Euro nicht übersteigen. Zu beachten ist jedoch, dass die Bagatellgrenze nur Anwendung findet, wenn mehrere trennbare Tätigkeiten nebeneinander ausgeübt werden. Sind die Tätigkeiten so miteinander verflochten, dass sie als eine Tätigkeit zu qualifizieren sind, ist die Bagatellgrenze nicht anwendbar.
Tätowierer
Auch bei Tätowierern stellt sich die Frage nach der Einkunftsart im Einkommensteuerrecht. Unbestritten sind viele Tattoos sehr kunstvoll und es bedarf gewisser Fähigkeiten, diese auf die Haut der Kunden zu zaubern. Als Einkunftsarten kommen grundsätzlich die selbständige Tätigkeit oder Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Betracht.
Während es durch den Freibetrag von 24.500 Euro in der Gewerbesteuer für Einzelunternehmer und Personengesellschaften und die Gewerbesteueranrechnung auf die Einkommensteuer für viele Tätowierer sogar unkritisch ist, welcher Einkunftsart sie zugeordnet werden, ist für viele der Zugang zur Sozialversicherung wichtiger. Über die Entscheidungen des Bundessozialgerichts zur Pflichtversicherung in der Künstlersozialkasse hatten wir eingangs bereits hingewiesen.
Steuerlich wird eine Einordnung als Gewerbetreibende oft damit begründet, dass Tätowierer vorrangig handwerklich tätig sind. Es handelt sich zwar um ein Kunsthandwerk, dem jedoch der handwerkliche Bereich das vorrangige Gepräge gibt. Tattoos werden auch oftmals als Gebrauchskunst eingestuft, da sie im Auftrag von Kunden entstehen. Anders bei sogenannter „zweckfreier“ Kunst, wie Gemälden, bei denen der Gebrauch zweitrangig ist. Eine Beurteilung als selbständige Tätigkeit kommt somit nur in Betracht, wenn der handwerklich geprägte Bereich des Tätowierens verlassen wird.
Hochzeitsredner
Auch bei Hochzeitsrednern, ähnlich wie bei Trauerrednern, kommt es auf die künstlerische Gestaltung an. Erreicht ein Redner eine schöpferische Gestaltungshöhe durch eine starke Individualisierung der Reden, kann die Tätigkeit als selbständige Tätigkeit und nicht als Gewerbebetrieb anzusehen sein. Ein Gewerbebetrieb liegt jedoch vor, wenn sich die Redetätigkeit vor allem auf eine schablonenartige Wiederholung anhand eines Redegerüstes beschränkt. Befüllt der Redner eine einmal entworfene Rede nur mit den Daten des Hochzeitspaares bzw. des Verstorbenen, liegt keine künstlerische Tätigkeit und somit keine Freiberuflichkeit vor.