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Grenzgänger in die Schweiz aufgepasst!

Finanzgericht München urteilt zur Berechnung der Nichtrückkehrtage
Grenzgänger in die Schweiz aufgepasst!
Aktuelles
27.09.2024 — Lesezeit: 5 Minuten

Grenzgänger in die Schweiz aufgepasst!

Finanzgericht München urteilt zur Berechnung der Nichtrückkehrtage

In dem einen Land wohnen, in einem anderen Land arbeiten. Für viele Arbeitnehmer in Grenzgebieten ist das zur Normalität geworden. Doch Arbeitnehmer, die grenzüberschreitend tätig sind, müssen sich mit vielen Vorschriften auseinandersetzen. Nicht nur die Rechtslage des eigenen Landes will verstanden werden, auch die Vorschriften des anderen Landes und einschlägige Doppelbesteuerungsabkommen müssen beachtet werden. Dabei kann es einige Fallstricke geben, wie das Urteil des Finanzgerichts München vom 15. März 2024 (8 K 883/23) zeigt. In dem Fall ging es um einen in der Schweiz wohnenden Arbeitnehmer, der bis zu seiner Kündigung in Deutschland tätig war und die Grenzgängerregelung in Anspruch nehmen wollte.

Grenzgängerregelung im Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz

Arbeitnehmer, die in Deutschland wohnen und in der Schweiz arbeiten bzw. umgekehrt und regelmäßig an ihren Wohnsitz zurückkehren, gelten als Grenzgänger im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) Deutschland-Schweiz. Wie weit Wohnsitz und Arbeitsort voneinander entfernt sind, spielt dabei keine Rolle. Wichtig ist hier aber die regelmäßige Rückkehr an den Heimatwohnsitz. Denn die Grenzgängereigenschaft entfällt, wenn der Grenzgänger an mehr als 60 Tagen im Kalenderjahr aus beruflichen Gründen nicht an seinen Wohnsitz zurückkehrt.

Ist die Grenzgängereigenschaft gegeben, bleiben die Vergütungen im Heimatland steuerpflichtig. Im Tätigkeitsstaat wird lediglich eine Quellensteuer von 4,5 Prozent des Bruttobetrages der Vergütungen erhoben. Die Ansässigkeit im Heimatland muss durch eine amtliche Bescheinigung nachgewiesen werden.

Unterjährige Freistellung unter Weiterzahlung der Bezüge

Der Steuerpflichtige im Streitfall war in der Schweiz ansässig und in Deutschland als leitender Angestellter tätig. Im Mai des Streitjahres wurde das Arbeitsverhältnis mit Aufhebungsvertrag mit Wirkung zum Ende des Jahres gekündigt. Der Arbeitnehmer wurde unter Fortzahlung der Bezüge freigestellt. Während der Freistellungszeit wurde vom Arbeitgeber ein Wettbewerbsverbot ausgesprochen. Des Weiteren wurde für das Folgejahr die Zahlung einer Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes sowie ein Bonus vereinbart. Von den Vergütungen wurde vom Arbeitgeber in Deutschland Lohnsteuer in voller Höhe einbehalten.

Grenzgängereigenschaft hängt an Nichtrückkehrtagen

Der Steuerpflichtige, der aufgrund von Vermietungseinkünften als beschränkt Steuerpflichtiger vom deutschen Finanzamt veranlagt wurde, beantragte die Erstattung der einbehaltenen Lohnsteuer mit Ausnahme der 4,5 Prozent Quellensteuer, die aufgrund der angenommenen Grenzgängereigenschaft Deutschland zusteht. Dem Antrag war eine Aufstellung über die im Inland verbrachten Arbeitstage von Januar bis Mai des Streitjahres beigefügt. Darin gab der Steuerpflichtige 35 Nichtrückkehrtage in die Schweiz an.

Das Finanzamt lehnte den Erstattungsantrag ab. Denn für die Grenzgängereigenschaft sei hier nur das aktive Beschäftigungsverhältnis bis zur Freistellung im Mai des Streitjahres maßgeblich, da der Steuerpflichtige ab der Freistellung tatsächlich weder seinen Arbeitsort im Inland aufgesucht habe noch von dort regelmäßig an seinen Wohnort zurückkehren habe können. Die im DBA vorgesehene 60-Tages-Grenze sei daher zu kürzen.

Erstattung der einbehaltenen Lohnsteuern

Die Finanzrichter prüften zunächst, ob verfahrensrechtlich eine Erstattung der Lohnsteuern überhaupt noch möglich gewesen wäre. Denn grundsätzlich ist bei beschränkt Steuerpflichtigen die Einkommensteuer mit dem Lohnsteuereinbehalt abgegolten. Der Steuerpflichtige beantragte, da eine Antragsveranlagung für Schweizer Staatsbürger im Streitjahr nicht möglich war, die Erstattung aufgrund einer sogenannten rechtsgrundlosen Zahlung. Dies lehnten die Finanzrichter ab. Denn Steuerschuldner für die Lohnsteuer ist der Arbeitnehmer, auf dessen Rechnung durch den Arbeitgeber der Steuereinbehalt erfolgt. Demzufolge liegt ein Rechtsgrund vor.

Hinweis: Gemäß Einkommensteuergesetz ist eine Veranlagung auf Antrag bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit für beschränkt Steuerpflichtige nur möglich, wenn es sich um Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder des EWR handelt und diese im Hoheitsgebiet eines dieser Staaten ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben. Der EuGH hat den Ausschluss der Antragsveranlagung für EU/EWR-Staatsbürger, die in der Schweiz wohnen, mit Urteil vom 30.05.2024 (C – 627/22) jedoch für europarechtswidrig erklärt. Das Bundesministerium der Finanzen hat auf das Urteil reagiert und bis zum Ergehen einer gesetzlichen Regelung das Schreiben vom 05.08.2024 erlassen. Darin wird festgelegt, dass eine Antragsveranlagung für EU/EWR-Staatsangehörige auch dann möglich ist, wenn diese ihren Wohnsitz in der Schweiz haben.

Laut der Finanzrichter ist diese Frage jedoch nicht entscheidungserheblich, denn selbst wenn man grundsätzlich einen Erstattungsanspruch bejaht, ist dieser hier nicht begründet. Im Streitfall wurde der Lohnsteuerabzug nach Ansicht der Richter materiell-rechtlich zutreffend durchgeführt. Das Besteuerungsrecht stand Deutschland zu.

Berechnung der Nichtrückkehrtage

Der Steuerpflichtige ist mit seinem Gehalt in Deutschland aufgrund der Ausübung der Tätigkeit beschränkt steuerpflichtig. Der Lohnsteuerabzug war auch nicht nach dem Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz ausgeschlossen. Denn er hat die schädlichen Nichtrückkehrtage überschritten. Gemäß Änderungsprotokoll zum DBA Deutschland-Schweiz sind bei einem Arbeitnehmer, der nicht während des gesamten Kalenderjahrs in dem anderen Staat beschäftigt ist, die für die Grenzgängereigenschaft nicht schädlichen Tage der Nichtrückkehr in der Weise zu berechnen, dass für einen vollen Monat der Beschäftigung fünf Tage und für jede volle Woche der Beschäftigung ein Tag anzusetzen sind.

Auf den Streitfall übertragen hat das Finanzamt die Anzahl der maßgeblichen Nichtrückkehrtage zutreffend mit 22 Tagen für den Zeitraum bis Mai des Streitjahres bestimmt. Daher wird diese Grenze mit 35 Nichtrückkehrtagen überschritten. Somit scheiden eine Grenzgängereigenschaft des Steuerpflichtigen und ein Besteuerungsrecht der Schweiz aus.

Der Steuerpflichtige gab zwar im Laufe des Verfahrens an, auch im Homeoffice in der Schweiz gearbeitet zu haben, was für diese Tage zu einem Wechsel des Besteuerungsrechts in die Schweiz geführt hätte. Jedoch konnte er keine entsprechenden Nachweise erbringen. Die Finanzrichter beließen es daher bei einem Besteuerungsrecht für Deutschland.

Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen

Das Finanzgericht hat die Revision zugelassen, da auch die Besteuerung von Zahlungen in der Freistellungsphase und die Abfindungsbesteuerung für den Streitzeitraum noch nicht abschließend höchstrichterlich geklärt sind. Ein vergleichbares Verfahren ist in einem anderen Fall unter dem Aktenzeichen VI R 23/22 bereits beim BFH anhängig.

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