Geldwerter Vorteil bei Arbeitnehmer-Verabschiedung
Steuerlich sollte es doch eigentlich keinen Unterschied machen, ob man nun nach einem langen Arbeitsleben im Kreise der Kollegen und Geschäftspartner den Abschied in den Ruhestand oder einen runden Geburtstag feiert. So denkt man zumindest als Normalbürger. Doch die Finanzverwaltung sieht das etwas anders und macht hier Unterschiede. Das Finanzgericht Niedersachsen hatte in seinem Urteil vom 23. April 2024 (8 K 66/22) allerdings Zweifel an dieser Ansicht. Die in den Richtlinien der Verwaltung enthaltenen Regelungen und Unterscheidungen zwischen einer Verabschiedung oder einem runden Geburtstag eines Mitarbeiters erscheinen dem Finanzgericht nicht sachgerecht. Daher lässt es für die endgültige Klärung die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zu.
Verabschiedung des Vorstandes
Im fraglichen Jahr ging der Steuerpflichtige, bisher Vorstandsvorsitzender einer Bank, in den Ruhestand. Zur Verabschiedung und Vorstellung des Nachfolgers veranstaltete die Bank einen Empfang in der Unternehmenszentrale. Die Bank erstellte die Einladungskarten und sprach die Einladungen auf der Grundlage einer nach geschäftsbezogenen Gesichtspunkten festgelegten Einladungsliste aus. Unter den ca. 300 geladenen Gästen befanden sich frühere und jetzige Vorstandsmitglieder der Bank, ausgewählte Mitarbeiter sowie der Verwaltungsrat, Angehörige des öffentlichen Lebens aus Politik, Verwaltung sowie bedeutenden Unternehmen und Institutionen aus der Region. Zudem waren acht Familienangehörige des Steuerpflichtigen als Gäste geladen.
Finanzamt lehnt Behandlung als Betriebsveranstaltung ab
Nach einer Lohnsteueraußenprüfung kam das Finanzamt zu der Auffassung, dass es sich bei dem Empfang anlässlich der Verabschiedung nicht um eine Betriebsveranstaltung gehandelt habe, da nicht alle Arbeitnehmer der Bank eingeladen gewesen seien.
Betriebsveranstaltungen sind Veranstaltungen auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter. Soweit darauf entfallende Zuwendungen den Betrag von 110 Euro je Betriebsveranstaltung und teilnehmenden Arbeitnehmer nicht übersteigen, gehören sie nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, wenn die Teilnahme an der Betriebsveranstaltung allen Angehörigen des Betriebs oder eines Betriebsteils offensteht. Dies gilt für bis zu zwei Betriebsveranstaltungen jährlich.
Bei anderen Feiern, die zwar auch im ganz eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers liegen, zu denen aber nicht alle Arbeitnehmer eingeladen sind, gilt grundsätzlich eine 110 Euro-Freigrenze je Veranstaltung und Teilnehmer. Das heißt, wird diese Freigrenze auch nur geringfügig überschritten, sind die gesamten Kosten als geldwerte Vorteile zu versteuern.
Das Finanzamt vertrat im Fall der Abschiedsfeier daher die Ansicht, dass die gesamten Kosten des Empfangs beim Steuerpflichtigen als geldwerter Vorteil zu versteuern seien und nahm daraufhin die Bank als Arbeitgeber in Haftung für die zu gering einbehaltene Lohnsteuer.
Verabschiedung versus runder Geburtstag
Nach Verwaltungsauffassung sind Aufwendungen des Arbeitgebers im Rahmen einer Veranstaltung aus Anlass einer Verabschiedung oder eines Amts- oder Funktionswechsels eines Arbeitnehmers zwar als Zuwendungen im ganz überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers anzusehen. Übersteigen die Aufwendungen wie im vorliegenden Fall jedoch die Freigrenze von 110 Euro je teilnehmender Person, seien die Aufwendungen für alle Gäste insgesamt dem Arbeitslohn des Arbeitnehmers zuzurechnen.
Demgegenüber sind für die Feier eines runden Geburtstages eines Arbeitnehmers laut Verwaltungsrichtlinien nur die auf den konkreten Arbeitnehmer und dessen persönliche Gäste entfallenden Beträge als Arbeitslohn zu erfassen, wenn es sich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles um ein Fest des Arbeitgebers, also eine betriebliche Veranstaltung, handelt.
Für diese nachteilige Unterscheidung in den Verwaltungsanweisungen sieht das Finanzgericht keinen sachlichen Grund. Die Finanzrichter wenden daher die Grundsätze für den runden Geburtstag auch auf die Verabschiedung an. Sie sind der Auffassung, dass ein Fest anlässlich der Diensteinführung oder der Verabschiedung eines Arbeitnehmers sogar eher den betrieblichen Bereich des Arbeitgebers betrifft als ein runder Geburtstag eines Arbeitnehmers.
Kein geldwerter Vorteil bei überwiegendem Arbeitgeberinteresse
Im zu entscheidenden Fall kamen die Finanzrichter zum Ergebnis, dass der Empfang in der Gesamtschau als eine Veranstaltung der Arbeitgeberin anzusehen ist.
Denn allein die Bank ist als Gastgeberin des Empfangs aufgetreten. Der Empfang fand in den Geschäftsräumen der Bank statt und nicht im Haus des Steuerpflichtigen oder in von ihm angemieteten Räumlichkeiten. Die Bank hat die Einladungskarten entworfen und bestimmt, welche Personen eingeladen werden sollten. Die Gästeliste war insgesamt nach geschäftsbezogenen Gesichtspunkten erstellt worden. Der ehemalige Mitarbeiter hatte lediglich die Möglichkeit, eine kleine Anzahl enger Familienangehöriger zu benennen, die ebenfalls zu der Veranstaltung eingeladen werden sollten.
Damit führt die Kostentragung durch die Bank nur in Höhe der Kosten für den Mitarbeiter selbst und seine Familie zu einer Zuwendung von Arbeitslohn. Das Finanzamt hat die Bank daher weitgehend zu Unrecht für Lohnsteuer in Haftung genommen.
Hinweis: Bei Feiern im Unternehmen schaut das Finanzamt gerne genau hin. Sie sind daher auch regelmäßig einer der Schwerpunkte in Betriebsprüfungen, insbesondere bei Lohnsteueraußenprüfungen. Und auch in diesem Fall ist das letzte Wort noch nicht gesprochen: Das Niedersächsische Finanzgericht ließ die Revision zum Bundesfinanzhof zu. Es ist allerdings nicht sicher, ob das Finanzamt die Revision einlegt. Falls ja, bleibt mit Spannung abzuwarten, ob der Bundesfinanzhof die in den Lohnsteuerrichtlinien festgeschriebene Unterscheidung zwischen der Verabschiedung kippt und die Entscheidung des Finanzgerichts bestätigt. In vergleichbaren Fällen sollten Verfahren bis zu einer endgültigen Klärung offengehalten werden. Lassen Sie sich dabei von Ihrem Steuerberater beraten.