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Tee in Deutschland – erfolgversprechendes Geschäftsmodell oder gewagte Vision?

Interview mit Antje Kühnle, der Gründerin von GROWING KARMA und ihrem Mann Rüdiger Kühnle
Tee in Deutschland – erfolgversprechendes Geschäftsmodell oder gewagte Vision?
Aktuelles
03.12.2024

Tee in Deutschland – erfolgversprechendes Geschäftsmodell oder gewagte Vision?

Interview mit Antje Kühnle, der Gründerin von GROWING KARMA und ihrem Mann Rüdiger Kühnle
Tee als Erfolgsmodell: GROWING KARMA freut sich über die Auszeichnung zum Grünen Mandat der ETL-Gruppe.

GROWING KARMA, das aktuelle Grüne Mandat der ETL-Gruppe, hat sich zum Ziel gesetzt, Deutschlands größte kommerzielle Tee-Farm mitten in Herzen Brandenburgs aufzubauen. Und als wäre das nicht schon ambitioniert genug, soll diese auch noch in ein nachhaltiges und perspektivisch klimapositives Landwirtschaftskonzept, der Permakultur, eingebunden werden. Wie kommt man auf so eine Idee?

Antje: Mein Mann Rüdiger und ich lieben und leben diese Pionierhaltung einfach. Wir sind beide gelernte Winzer, ich habe dann noch Weinbau und Oenlogie studiert und mein Mann hat sich 1998 ins E-Commerce gestürzt. Auf unseren vielen Reisen haben wir eines Tages die Liebe zum Tee entdeckt. Während eines Besuchs in Portugal haben wir eine Tee-Farm, Cha-Camelia, kennengelernt. Wir kamen aus dem Staunen nicht heraus und stellten uns die Frage, ob dies auch in Deutschland geht.
Ab diesem Moment begannen wir nachzudenken: Wenn wir keinen Wein mehr verkaufen, wäre das nicht etwas für uns? Es folgten Jahre der Forschung und etliche Machbarkeitsstudien sowie erste „Feldversuche“ im heimischen Garten. Schnell stellten wir fest, ja, es ist möglich und es gibt eine Menge Parallelen zum Weinanbau, aber das Thema Tee steckt hierzulande noch total in den Kinderschuhen! Das reizte uns.

47,5 Milliarden Tassen Tee werden insgesamt pro Jahr und Kopf in Deutschland getrunken.

Rüdiger: Wir haben uns dann Gedanken gemacht und in die Recherche gestürzt: Wie und wo könnte das in Europa noch funktionieren? Es gibt mittlerweile über 60 Tee-Farmen, von Finnland bis Sizilien. Frankreich ist ein Kernland, Italien rund um den Lago Maggiore bis hin zur Schweiz ebenfalls. Und in Osteuropa gewinnt das Thema an Dynamik. Und natürlich Großbritannien, die Niederlande und Portugal – die Seefahrernationen, die einst den Tee nach Europa brachten. In Deutschland bietet Brandenburg optimale Bedingungen für Tee-Anbau. Zum Glück für uns, denn wir lieben, wo wir leben, und sind dementsprechend froh, das Privileg zu haben, hier so ein innovatives Projekt aufziehen zu können. Wir finden hier saure Böden, gute Drainage, und auf unserem Grundstück in Schünow bei Zossen ausreichend Wasser, was in Brandenburg eher die Ausnahme ist.

Antje: Es war ein Glücksgriff, dieses Gelände zu finden. Wir haben hier zwar sanierungsbedürftige, aber funktionsfähige Gebäude, eine Infrastruktur und gute natürliche Bedingungen. Wir können uns hier unsere autarke Oase schaffen, kommerziellen Tee-Anbau in Deutschland etablieren und in ein ganzheitlich nachhaltiges sowie klima-positives Konzept der Permakultur integrieren. Für mich, die ich mich seit Jahrzehnten mit diesen Themen befasse, geht damit ein Traum in Erfüllung.

Ihr habt euch bewusst dafür entschieden, keine „fertigen“ Teepflanzen zu kaufen, sondern Samen zu säen und damit den langen, komplizierten Weg zu gehen. Warum?

Antje: Es gibt in Europa durchaus Pflanzenproduzenten. Doch wir haben uns bewusst dagegen entschieden, bei ihnen zu kaufen. Zum einen gefällt uns das Genom nicht so, was in Europa vertrieben wird. Das ist zum größten Teil ein Genom aus dem georgisch-türkischen Raum. Da herrscht ein großer Fokus auf Schwarztee. Doch wir wollen mit unserem Anbau in Richtung Grüntee/Matcha gehen. Außerdem ist das europäische Genom extrem teuer. Für Samen bezahlt man mitunter bis zu 1,50€. Fertige Pflanzen beginnen bei 4,50 Euro pro Stück und kosten bis zu 60 Euro.

Rüdiger: Wir haben viele der europäischen Tees, die es gibt, probiert. Da waren und sind wahnsinnig tolle Tees dabei, keine Frage, aber uns war das nicht gut genug.
Antje: Eine Pflanze aus dem Samen ist zudem einfach wesentlich anpassungsfähiger und garantiert eine große genetische Vielfalt. Stecklingsvermehrung bedeutet, dass alle Pflanzen immer dasselbe Genom aufweisen. Wenn ein Faktor auftritt, der den Pflanzen schadet, sterben alle. Bei unseren aus Samen gewonnenen Pflanzen sorgt die genetische Vielfalt für eine höhere Resilienz. Daher setzen wir uns bewusst dieser Mühe aus.

Teepflanzen wohin das Auge blickt im fertigen Gewächshaus von GROWING KARMA.
Im Jahr 2023 wurden knapp über 46.200 Tonnen Tee nach Deutschland importiert.

Die erste Tee-Ernte aus Pflanzen, die ihr selbst gesät habt, steht im Frühjahr kommenden Jahres an. Welche Schritte waren bisher dafür nötig?

Antje: Die ersten Samen wurden im Oktober/November 2023 in Asien geerntet und dann ganz schnell verschifft. Wir haben sie bei uns eingekühlt, geprüft, sortiert und im Winter 2023/2024 begonnen, sie im neuen Gewächshaus zu setzen. Weil die Pflanze es während der Keimungsphase und Aufzucht warm haben muss, haben wir extra eine Fußbodenheizung in die Betonplatte integriert. Als dann wenig später die ersten Pflanzen aus der Erde kamen, war uns klar: Wir sind auf dem richtigen Weg und können die Pflanzen bei entsprechender Größe in die Brandenburger Erde setzen. Mittlerweile haben das bereits 5.000 geschafft.

Gibt es in Deutschland Vorläufer in Sachen Tee-Anbau? Oder seid ihr die Ersten, die dieses Wagnis eingehen?

Rüdiger: Es gibt seit fast 30 Jahren ein Projekt „Tschanara“ im Bergischen Land bei Leverkusen. Wolfgang und seine Frau Hang-ok teilen Ihre Leidenschaft und Faszination für Tee seit Jahrzehnten. Also begannen sie im Bergischen Land auf einer ehemaligen Bonsai-Farm experimentell und auf wissenschaftlicher Basis auszuprobieren, was möglich ist. Allerdings nicht kommerziell. Sie waren die ersten, die versucht haben, Tee aus deutschem Anbau groß zu machen. Damit waren sie erfolgreich und zeigten: Tee-Anbau in Deutschland ist unter gewissen Voraussetzungen möglich. Voraussetzungen, die wir hier in Schünow für unsere Camellia sinensis als gegeben betrachten.

Das Ostfriesland ist mit 300 Litern Schwarz- und Grüntee die Region mit dem weltweit höchsten Teekonsum pro Kopf und Jahr.

Die da wären?

Antje: Wir fokussierten uns bei der Suche nach Samen auf die kühlen Regionen des Himalayas, Nepal, sowie Teilen Chinas. Gegenden, in denen die Pflanze ebenfalls starken Wetterwechseln ausgesetzt ist. Im Winter herrschen mitunter starke Minusgrade, im Sommer – in den Himalaya-Tälern – bis zu 40 Grad Hitze. Das sind Faktoren, welche die Pflanze robust machen und extrem anpassungsfähig. Diese Cultivare haben wir uns gezielt ausgesucht. Wir sind der Überzeugung, dass diese Fähigkeit die Qualität des Tees sogar noch steigert. Auch diese Erkenntnis haben wir aus unseren Erfahrungen mit Wein gewonnen.

Rüdiger: Die Weinrebe steht in den Hauptanbaugebieten Europas unter konstantem wetterbedingtem Stress. Dort, wo sie ursprünglich zuhause ist, im Zweistromland, kommt kein exzellenter Wein her. Denn da sind die Bedingungen, so merkwürdig es klingt, zu optimal! Die Rebe braucht Stress, um gewisse Stoffe auszuschütten, die sich dann in den Trauben einlagern. Unserer Meinung nach verhält es sich bei Tee genauso. Je härter die Pflanzen am Limit arbeiten, umso besser ist die Qualität des Endprodukts. Wobei es da auch Grenzen gibt. Deutschland könnte die nördliche Grenze des Grüntee-Anbaus in Europa sein. Das gilt es herauszufinden.

Es stellt sich bei euren Vorhaben nicht nur die Frage, ob Tee-Anbau in Deutschland ökologisch machbar ist, sondern auch, ob es ökonomisch sinnvoll ist. Polemisch gefragt: Braucht’s das überhaupt?

15,5 Prozent aller verkauften Tees in Deutschland sind Bio.

Rüdiger: Diese Frage stellte sich natürlich zuerst. Die Fakten sind eindeutig: Tee ist das zweitmeist konsumierte Getränk der Welt, nach Wasser. Alle europäischen Tee-Produzenten sind konstant ausverkauft. Die Nachfrage ist enorm! Denn die vorhandene Menge ist klein. Mögliche up-selling Produkte wie Iced-Tea, Kombucha oder Jun, sowie Tee-Räuchermischungen und Infusionstees runden perspektivisch das Sortiment ab.

Antje: Die Deutschen gehören zu den global stärksten Tee-Konsumenten, natürlich getrieben von den Ostfriesen. Ostfriesland ist die Region, die weltweit (!) am meisten Tee pro Kopf konsumiert. Aber auch insgesamt steigt der Konsum.

Rüdiger: Jedes Jahr gibt es in China eine Verkostung, ein Riesen-Event, wo pro Kategorie 10.000-15.000 Tees blind verkostet werden. In den letzten Jahren waren immer ein bis drei Europäer in den Top Ten. Wir reden zudem von einem Nischenprodukt auf hohem Preisniveau. Wobei wir natürlich von qualitativ hochwertigem Bio-Tee aus Eigenanbau sprechen. Mit dem preisgünstigen Supermarkt-Tees werden und wollen wir nicht konkurrieren. Wir konzentrieren und auf Kunden, die Freude an erstklassigen Tees haben und dafür bereit sind, etwas mehr Geld auszugeben als im Supermarkt.

Der Umsatz mit Tee wird laut Prognosen bis 2029 um 129,9 Mio. Euro (16,27 Prozent) wachsen.

 

 

 

Gute Aussichten für GROWING KARMA: Aktuelle Prognosen zeigen das enorme Wachstumspotenzial von Tee in Deutschland. Was die nächsten Schritte von GROWING KARMA sind und wie ihnen ihr ETL Agrar & Forst-Berater Benjamin Hummel dabei hilft, erfahren Sie in unserem nächsten Artikel. Bleiben Sie neugierig!

 

 

 

 

 

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