ApoAktuell: Sozialrechtlicher Status eines Apothekers als Vertreter des Inhabers
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Aktuell geraten Apotheker als Vertreter des Inhabers der Apotheke in den Blickpunkt der Betriebsprüfungen der Deutschen Rentenversicherung. Die Deutsche Rentenversicherung bewertet dies regelmäßig als (abhängige) Beschäftigung. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW, Urteil vom 10.06.2020, Aktenzeichen L 8 BA 6/18) beurteilt einen bestimmten Fall nun überraschend anders – und sieht darin eine sozialversicherungsfreie selbstständige Tätigkeit.
Worum ging es?
Der vor dem LSG NRW verhandelte Fall betrifft die folgende Konstellation:
Eine Apothekeninhaberin ließ sich durch eine Apothekerkollegin in deren Urlaub vorübergehend vertreten. Die Leistungen wurden auf Stundenbasis per Rechnung abgerechnet. Die Vertreterin war für circa weitere 40 Apotheken tätig. Sie wurde durch Empfehlungen bzw. über die Internetseite der Apothekerkammer Westfalen-Lippe beauftragt und es wurde ein Mitarbeiter für die Buchhaltung beschäftigt. Während der Vertretungsarbeit war die Vertreterin die einzige approbierte Apothekerin gewesen. Die Vertreterin hatte die Rechtsmacht, Personal einzustellen oder zu kündigen, die Öffnungszeiten der Apotheke zu verändern, bei Krankheit die Apotheke zu schließen oder die Verkaufspreise zu gestalten.
Abhängig oder selbstständig? Darauf kommt es an
Entscheidend bei der Abgrenzung zwischen sozialversicherungspflichtiger abhängiger Beschäftigung und sozialversicherungsfreier selbstständiger Tätigkeit sind die Umstände des Einzelfalls. Dabei kommt es in Fällen wie dem vorliegenden im Wesentlichen auf die Eingliederung in die Arbeitsorganisation an. Apotheker arbeiten auch als Beschäftigte im wesentlichen weisungsfrei. Daher ist die Weisungsfreiheit in diesen Fällen nur ein (schwaches) Indiz.
Bitte beachten Sie, dass es „die“ Argumente für und gegen eine Beschäftigung nicht gibt. Anhaltpunkte für eine Beschäftigung bei Vertreter eines Apothekers sind:
- Kann der Inhaber der Apotheke nach dem Vertrag in die Prozesse weiter eingreifen?
- Entscheidet der Inhaber der Apotheke tatsächlich während der Vertretung weiter?
- Wie häufig und aus welchem Anlass wird der Vertreter beauftragt?
- Ist der Vertreter werbend am Markt tätig?
- Hat der Vertreter weitere Auftraggeber?
- Wir haftet der Vertreter?
- Ist eine eigene Haftpflichtversicherung vorhanden?
Die Begründung des LSG NRW
Auch das LSG NRW hat die Aspekte des Einzelfalls beleuchtet und stützt seine Entscheidung für eine selbstständige Tätigkeit auf folgende Erwägungen:
- Es gab kein vertraglich vereinbartes und auch kein tatsächlich ausgeübtes Weisungsrecht. Die Parteien haben sich über konkrete Einzeleinsätze, Zeitfenster und Stundenhonorare geeinigt (und dies wurde eben nicht einseitig von einem weisungsbefugten Arbeitgeber festgelegt).
- Gesetzlich hat eine Apothekenleitung eine vollständige inhaltliche Autonomie inne.
- Die Vertreterin konnte selbst über die Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten, über deren Einkauf sowie Zahlungen vom Geschäftskonto entscheiden. Sie konnte Arbeitgeberrechte wahrnehmen, behördliche Genehmigungen einholen und entscheiden, wie sie den Apothekenbetrieb aufrechterhält.
- Sie war für weitere 40 Auftraggeber tätig.
Einordnung des Urteils in die Rechtsprechungspraxis
Die Entscheidung des LSG NRW ist bemerkenswert. Die Feststellung, dass die Apothekerin weisungsfrei handelte, ist keine Abweichung von Entscheidungen anderer Sozialgerichte. Neu ist jedoch die Argumentation, es liege keine Eingliederung in den Apothekenbetrieb vor. Nach dem Gesetz könne keine Apotheke ohne Anwesenheit eines Apothekers betrieben werden. Daher sei der Betrieb nach dem Apotheker (und nicht anders herum) ausgerichtet. Dieses Argument steht im Gegensatz zu Auffassungen anderer Gerichte im Bereich der Vertretungs- und Honorarärzte (z. B. LSG Berlin-Brandenburg Beschl. v. 07.02.2020 – L 9 BA 92/18). Hier wird argumentiert, dass die Leistung gerade in der Arztpraxis mit den dortigen Betriebsmitteln und Mitarbeitern erbracht werde. Zudem hat das LSG NRW die Tatsache von weiteren Auftraggebern als Indiz für eine Selbständigkeit gewertet. Auch dies steht im Gegensatz zu anderen sozialgerichtlichen Entscheidungen.
Folge des Urteils
All das macht deutlich: Hierbei handelt es sich nur um eine einzige Entscheidung unter vielen. Ob als Apotheker, Arzt oder sonst im Gesundheitswesen tätige Person: Es kommt immer auf die konkrete Ausgestaltung an. Auch für Apotheker hat dieses Urteil keine „Allgemeingültigkeit“. Hinzu kommt, dass es sich nicht um ein höchstrichterliches Urteil handelt.
Praxistipp: Lassen Sie für Ihren konkreten Fall den Status am besten verbindlich klären. Das gewährleistet ausschließlich ein sog. Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV). Es wird dringend angeraten, dieses Statusfeststellungsverfahren nicht ohne vorherige fachkundige Unterstützung durchzuführen. Holen Sie sich dabei idealerweise Unterstützung von einem auf Sozialversicherungsrecht spezialisierten (Fach-) Anwalt. Nutzen Sie auch das Dienstleistungsangebot Statusprüfstelle der ETL Rechtsanwälte.