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Alpakazucht: Liebhaberei oder Land- und Forstwirtschaft

Finanzgericht Münster urteilt zur Gewinnerzielungsabsicht
Alpakazucht: Liebhaberei oder Land- und Forstwirtschaft
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30.05.2024 — zuletzt aktualisiert: 19.08.2024 — Lesezeit: 6 Minuten

Alpakazucht: Liebhaberei oder Land- und Forstwirtschaft

Finanzgericht Münster urteilt zur Gewinnerzielungsabsicht

Wer im ländlichen Raum unterwegs ist, sieht nicht nur die vertrauten Pferde, Schafe oder Esel auf den Höfen und Weiden stehen, sondern immer öfter auch Alpakas. Während manche Landwirte diese nur als Hobby halten und vielleicht einen kleinen Streichelzoo eröffnen, betreiben andere die Alpakazucht in großem Stil.

Beiden Fällen ist gemeinsam: Die Alpakazucht verursacht beträchtliche Kosten und diese übersteigen vor allem in den ersten Jahren regelmäßig die Einnahmen. An diesen Verlusten möchten Steuerpflichtige natürlich den Fiskus beteiligen. Das ist grundsätzlich auch möglich, doch nicht in jedem Fall. Wo die Grenze zwischen Liebhaberei und steuerlich relevanten Einkünften (Gewinnen und Verlusten) aus Land- und Forstwirtschaft liegt, hatte das Finanzgericht Münster in seinem inzwischen rechtskräftigen und erst kürzlich veröffentlichten Urteil vom 18. März 2022 (FG Urteil 4 K 1666/17 E) zu entscheiden.

Liebhaberei oder Gewinnerzielungsabsicht

Ein steuerlich zu berücksichtigender land- und forstwirtschaftlicher Betrieb erfordert eine selbständige nachhaltige Betätigung mit Gewinnerzielungsabsicht. Daran fehlt es nach Auffassung der Finanzverwaltung, wenn der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit nur aus persönlichen Gründen und Neigungen ausübt. Für die Beurteilung ist insbesondere von Bedeutung, ob der Betrieb bei objektiver Betrachtung nach seiner Art, der Gestaltung der Betriebsführung und den gegebenen Ertragsaussichten einen „Totalgewinn“ erwarten lässt. Diese Kriterien müssen bei jedem Einzelfall aufs Neue und individuell geprüft werden.

Aus Beistelltieren wird Alpakazucht

Im Urteilsfall schaffte die landwirtschaftlich vorgebildete Steuerpflichtige die ersten Alpakas an, um sie zu ihren bereits vorhandenen Pferden mit auf die Weide zu stellen. Durch den Verkauf der Alpaka-Wolle sollten die anfallenden Kosten der Alpakas gedeckt werden. Für die Verwertung und Vermarktung der selbst erzeugten Alpaka-Faser betreibt die Steuerpflichtige seit mehreren Jahren einen gesonderten Gewerbebetrieb als Einzelunternehmerin.

Hauptberuflich sind die Steuerpflichtige wie auch ihr Mann als Ärzte tätig. Die Steuerpflichtige arbeitet etwa 25 bis 30 Stunden pro Woche in der Arztpraxis. Daneben verbringt sie täglich weitere sechs bis acht Stunden auf dem Alpaka-Hof bzw. mit dazugehörigen Tätigkeiten. Die Eheleute stellten bei Anschaffung der Tiere unterschiedliche Konzepte auf, wie sie mit der Alpaka-Zucht Gewinne erzielen wollten. Diese wurden im Laufe der Zeit mehrfach überarbeitet und angepasst.

Darüber hinaus engagierte sich die Ehefrau in einem Verein von Alpaka-Züchtern, bei dem sie im Vorstand und als Herdbuchprüferin tätig war. Weiterhin veröffentlichte sie ein Fachbuch zur Haltung und Zucht von Alpakas und begann intensiv mit der Durchführung von eigenen Veranstaltungen mit den gezüchteten Alpakas.

Verluste als Begründung für Liebhaberei

Das Finanzamt erkannte die Verluste aus dem Betrieb der Alpaka-Farm zunächst als Anlaufverluste bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft an, stufte diese jedoch in den Folgejahren als Liebhaberei ein und ließ die anfallenden Verluste unberücksichtigt. Zur Begründung führte das Finanzamt an, dass sich aus der Art der Tätigkeit, der Art der Betriebsführung, der vorliegenden persönlichen Gründe und Neigungen zur Führung des Betriebes und der Totalgewinnprognose keine Gewinnerzielungsabsicht ergebe.

Die Tätigkeit werde nur nebenberuflich ausgeübt. Der enorme zeitliche Einsatz unter Inkaufnahme von dauerhaften Verlusten lege den Schluss nahe, dass die Tätigkeit auch persönliche Neigungen befriedige. Es sei nicht ersichtlich, wie sich die Ertragssituation mittelfristig verbessern solle. Die Umstellung auf sogenannte Faseralpakas, die Vergrößerung der Zuchtbasis, die Werbung für den Betrieb durch Teilnahme an Show-Veranstaltungen, der Verkauf von eigenem Futter, die Veranstaltung von Seminaren und der Verkauf eines Buches seien keine Umstrukturierungsmaßnahmen.

Längere Anlaufphase für Tierzuchtbetriebe

Die Finanzrichter beurteilten den Sachverhalt in der Gesamtschau anders und gaben den Eheleuten Recht. Sie entschieden: Die Eheleute haben die Alpaka-Farm mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben und daraus steuerlich relevante Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielt. Zwar sei bei der Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebs hinsichtlich der Dauer der Anlaufzeit regelmäßig von einem Zeitraum von acht bis zehn Jahren auszugehen. Nach den Umständen des Einzelfalls könne dieser Zeitraum jedoch auch länger sein.

Gerade bei einem Tierzuchtbetrieb kann eine längere Anlaufphase erforderlich sein und unvorhergesehene Ereignisse während der Anlaufphase sind bei der Bemessung des Anlaufzeitraums angemessen zu berücksichtigen.

Das Finanzgericht hat aus den Gesamtumständen insgesamt den Eindruck gewonnen, dass sich vor allem die Ehefrau erst im Laufe der Zeit von einer eher privat motivierten Züchterin zu einer „echten“, über die Grenzen Deutschlands hinweg anerkannten Spezialistin auf dem Gebiet der Alpaka-Zucht entwickelt hat. Dieser Umstand muss sich auch in der Bemessung des Anlaufzeitraums widerspiegeln.

Verbesserung der Ertragssituation kann weit gefasst werden

Für eine Gewinnerzielungsabsicht sprechen nach Ansicht der Finanzrichter die Größe des Unternehmens, die Vielfalt der ausgeübten Tätigkeiten sowie die Professionalität der Betriebsausübung. Angesichts der Größe der Tierherde, des zeitlichen Einsatzes der Steuerpflichtigen in dem Unternehmen, der Beschäftigung mehrerer Hilfsarbeiter sowie der Tochter als Vollzeitkraft, der umfangreichen Bemühungen um eine Verwertung der Tierfasern und den Ertrag bringenden Verkauf gezüchteter Tiere, der Veranstaltung von Seminaren und Alpaka-Shows und nicht zuletzt der Veröffentlichung eines Fachbuches über die Alpaka-Zucht kann nicht von einem Hobbybetrieb ausgegangen werden. Ab diesem Zeitraum haben sich die Zuchtpläne der Eheleute derart konkretisiert und fortentwickelt, dass der möglicherweise zu Beginn noch im Vordergrund stehende Anlass der Begleitung der Alpakas überlagert wurde.

Gegen die Unterstellung persönlicher Neigungen spricht auch die Ernsthaftigkeit und Gewissenhaftigkeit, mit der die Steuerpflichtigen die Zucht seitdem betrieben haben und ihre Tiere und deren Qualität kontrollieren. Zusätzlich weist das Finanzgericht darauf hin, dass die Möglichkeit der Verlustverrechnung, um möglicherweise Steuern zu sparen, grundsätzlich für sich genommen nicht als privates Motiv angesehen werden kann, das zur Verneinung der Gewinnerzielungsabsicht führt.

Fazit

Der Urteilsfall zeigt einmal mehr, dass jeder Sachverhalt für sich zu beurteilen ist und die Anforderungen an die Gewinnerzielungsabsicht gerade bei Zuchtbetrieben, wie der Alpaka- oder Pferdezucht sehr hoch sind. Dies gilt insbesondere, wenn Steuerpflichtige hauptberuflich eine andere Tätigkeit ausüben, mit der ein Einkommen erzielt wird, welches zur Bestreitung des Lebensunterhalts ausreicht und auch kostspielige Hobbys erlauben würde.                                                                    

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