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Nur die tatsächlichen Rehabilitationsfälle zählen

Finanzgericht Düsseldorf urteilt zur 40-Prozent-Grenze für Gewerbesteuerbefreiung
Nur die tatsächlichen Rehabilitationsfälle zählen
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14.11.2023 — Lesezeit: 5 Minuten

Nur die tatsächlichen Rehabilitationsfälle zählen

Finanzgericht Düsseldorf urteilt zur 40-Prozent-Grenze für Gewerbesteuerbefreiung

Steuerbefreiungen haben zumeist den Zweck, zielgerichtet Berufs- oder Personengruppen zu entlasten, um bestimmte, meist sozialpolitische, Zwecke zu fördern. So auch die Gewerbesteuerbefreiung für Einrichtungen zur ambulanten oder stationären Rehabilitation. Die erbrachten Rehabilitationsleistungen bleiben steuerfrei, wenn die Behandlungskosten in mindestens 40 Prozent der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind. Das Finanzgericht Düsseldorf hatte in seinem Urteil vom 18. August 2023 (3 K 2043/19 G) zu entscheiden, ob eine Therapeutin diese Voraussetzungen der Gewerbesteuerbefreiung erfüllt. Die Revision zum Bundesfinanzhof wurde zugelassen.

Im vorliegenden Fall ging es um eine grundsätzlich gewerbesteuerpflichtige Praxis für Physiotherapie und ambulante Rehabilitation, die neben der Hauptpraxis noch zwei weitere Niederlassungen betrieb. Die Praxis erbrachte auch Leistungen der Erweiterten Ambulanten Physiotherapie (EAP) und war dafür durch den entsprechenden Landesverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften zugelassen worden. Bei der EAP handelt es sich um die Kombination von Behandlungselementen der krankengymnastischen Therapie, physikalischen Therapie und medizinischen Trainingstherapie. Die Zulassung bezog sich auf die Hauptniederlassung und bestimmte, namentlich genannte Mitarbeiter.

Die Bemessungsgrundlage ist entscheidend

In den Streitjahren erbrachte die Therapeutin in ihrer Hauptniederlassung neben allgemeinen physiotherapeutischen Leistungen (z. B. Krankengymnastik, manuelle Therapie, manuelle Lymphdrainage) auch Leistungen im Rahmen der EAP. Die Kosten dafür wurden im Jahr 01 in rund 78 Prozent und im Jahr 02 in rund 85 Prozent der behandelten Fälle von Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung getragen. Der Anteil der aus den insgesamt erbrachten EAP-Leistungen erzielten Umsätze an den Gesamtumsätzen der Hauptniederlassung betrug im Jahr 01 ca. 12,7 Prozent und im Jahr 02 ca. 14,5 Prozent.

Nach Ansicht der Finanzverwaltung hat die Therapeutin die Voraussetzung der 40-Prozent-Grenze nicht erfüllt. Die Basis des von der Therapeutin betriebenen Rehabilitationszentrums seien nicht ambulante Rehabilitationsleistungen, sondern ärztlich verordnete Heilmittelleistungen und Leistungen zur primären Prävention. Der Anteil der mit den begünstigten Rehabilitationsleistungen erzielten Umsätze an den Gesamtumsätzen der Therapeutin liege in den Streitjahren deutlich unter der 40-Prozent-Grenze.

Dem widersprach die Therapeutin im außergerichtlichen und finanzgerichtlichen Verfahren. Sie machte geltend, dass sich die im Gesetz genannte 40-Prozent-Grenze nicht auf alle Behandlungsfälle der Einrichtung beziehe, sondern nur auf die ambulanten Rehabilitationsleistungen im Sinne der Befreiungsvorschrift. Dass in dem von ihr betriebenen Rehabilitationszentrum überwiegend allgemeine physiotherapeutische Leistungen erbracht würden, die gewerbesteuerlich nicht begünstigt seien, sei nicht von Bedeutung.

Dem stimmte das Finanzgericht zu. Unstreitig erbrachte die Therapeutin Leistungen im Rahmen der verordneten ambulanten oder stationären Rehabilitation im Sinne des Sozialrechts und war als Einrichtung zur ambulanten Rehabilitation zugelassen. Die zugelassenen EAP-Leistungen sind auch dem Bereich der medizinischen Rehabilitation zuzuordnen. Auch die weitere Voraussetzung der Steuerbefreiung für Einrichtungen zur ambulanten Rehabilitation ist nach Ansicht des Finanzgerichts erfüllt.

Maßgebliche Bezugsgröße der 40 Prozent-Grenze ist die Anzahl der in der Rehabilitationseinrichtung insgesamt behandelten Rehabilitationsfälle und nicht die Anzahl sämtlicher in der Einrichtung behandelter Fälle unabhängig von ihrer Zuordnung zum Bereich der – gesetzlich begünstigten – Rehabilitation oder der „allgemeinen“ Physiotherapie. Dieser speziell auf eine Förderung von Rehabilitationsleistungen bezogene Gesetzeszweck ergibt sich aus der Vorschrift, wonach die Steuerbefreiung nur anzuwenden ist, soweit die Einrichtung Leistungen im Rahmen der verordneten (ambulanten oder stationären) Rehabilitation erbringt.

Nicht alle Leistungen sind begünstigt

Anderweitige medizinische Leistungen der Einrichtung außerhalb des Rehabilitationsbereichs, wie z. B. ärztlich verordnete Heilmittelleistungen oder Leistungen zur primären Prävention werden hingegen nicht von der Steuerbefreiung für Rehabilitationseinrichtungen erfasst. Das gilt auch, wenn die diesbezüglichen Behandlungskosten ebenfalls von Sozialversicherungsträgern getragen werden. Dies ergibt sich bereits aus der Gesetzesbegründung.

Nach Auffassung des Finanzgerichts kann es daher nur darauf ankommen, ob die Behandlungskosten der in der jeweiligen Einrichtung durchgeführten Rehabilitationsmaßnahmen in mindestens 40 Prozent der Fälle, ganz oder überwiegend von den Trägern der gesetzlichen Sozialversicherung getragen werden. In den Streitjahren hat die Therapeutin die 40 Prozent-Grenze überschritten. Der weit überwiegende Teil der von ihr erbrachten Rehabilitationsleistungen, im Jahr 01 rund 78 % und im Jahr 02 rund 85 %, wurde mit den gewerblichen Berufsgenossenschaften als Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung abgerechnet. Dass die Therapeutin neben den EAP-Leistungen überwiegend allgemeine physiotherapeutische Leistungen erbracht hat, ist nach Ansicht des Finanzgerichts für die Prüfung der 40 Prozent–Grenze ohne Belang.

Organisatorische Trennung nicht notwendig

Für die Steuerbefreiung ist es nach Ansicht des Finanzgerichts auch nicht notwendig, dass der Bereich der Rehabilitation gegenüber den anderen Leistungsbereichen räumlich oder organisatorisch verselbständigt ist. Ebenfalls ist es nicht notwendig, dass die entsprechenden Mitarbeiter ausschließlich für den begünstigten Bereich tätig sind. Anderweitige Aussagen der Finanzverwaltung in den Gesetzesrichtlinien binden die Gerichte nicht. Es ist lediglich notwendig, dass den unterschiedlichen – gewerbesteuerlich begünstigten und nicht begünstigten – Leistungsbereichen trennbare Erträge zugeordnet werden können. Dies war im vorliegenden Fall anhand der Abrechnungsunterlagen problemlos möglich.

Fazit: Das Finanzgericht Düsseldorf hat klargestellt, dass die Gewerbesteuerbefreiung ausschließlich die erbrachten EAP-Leistungen – als Leistungen der ärztlich verordneten ambulanten Rehabilitation im Sinne des Sozialrechts – erfasst. Nur diese sind in die Prüfung der 40 Prozent-Grenze mit einzubeziehen. Soweit anderweitige Leistungen, insbesondere „allgemeine“ physiotherapeutische Leistungen, erbracht werden und dementsprechend nicht dem Bereich der medizinischen Rehabilitation zuzuordnen sind, ist die Steuerbefreiung nicht anwendbar. Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzverwaltung die zugelassene Revision einlegt und ob die obersten Finanzrichter die Auffassung des Finanzgerichts Düsseldorf bestätigen. Bis dahin sollten Rehabilitationseinrichtungen in vergleichbaren Fällen Einspruch einlegen, wenn ihnen die Finanzverwaltung die Gewerbesteuerbefreiung für ihre Rehabilitationsleistungen versagen will.

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