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Umsatzsteuerpflicht von Haarwurzeltransplantationen nach Haarausfall

BFH urteilt zur Steuerbefreiung bei der Behandlung
Umsatzsteuerpflicht von Haarwurzeltransplantationen nach Haarausfall
Aktuelles
20.01.2025 — Lesezeit: 4 Minuten

Umsatzsteuerpflicht von Haarwurzeltransplantationen nach Haarausfall

BFH urteilt zur Steuerbefreiung bei der Behandlung

Haarausfall ist mitunter nicht nur eine Frage der Optik, sondern für manche Menschen sehr belastend. Gut, wenn Ärzte helfen können. Doch ob diese Leistungen in allen Fällen eine steuerfreie Heilbehandlung darstellen oder doch eher steuerpflichtige kosmetische Leistungen, hatte der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 25. September 2024 (XI R 17/21) zu entscheiden.

Haartransplantationen als letztes Mittel

Der Steuerpflichtige ist niedergelassener Facharzt für Chirurgie. Er betreibt eine Praxis, die sich auf die Behandlung von Haarausfall spezialisiert hat. In seinen Umsatzsteuererklärungen deklarierte er 90 Prozent seiner Umsätze als steuerfrei, denn es handele sich um Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die er in Ausübung seiner Tätigkeit als Arzt durchgeführt habe.

Nach einer Außenprüfung war das Finanzamt der Ansicht, die Haarverpflanzungen seien nur insoweit steuerfrei, als sie auf Patienten mit vernarbendem Haarausfall entfielen. Bei diesen Patienten richtet sich das Immunsystem aus verschiedenen Gründen gegen die körpereigenen Haarfollikel, die derart vernarben, dass kein Haar mehr wachsen kann. Nur insoweit sei eine Krankheit im Sinne des Sozialgesetzbuchs ersichtlich. Die übrigen Umsätze zur Behandlung anderer Arten von Haarausfall seien hingegen kosmetischer Natur und daher steuerpflichtig. Eine ärztliche Heilbehandlung sei insoweit nicht gegeben.

Das Finanzamt wies die Einsprüche als unbegründet zurück. Bis auf den vernarbenden Haarausfall sei davon auszugehen, dass die Transplantationen kosmetischen Zwecken gedient hätten. Die bloße Aufstellung der Behandlungsfälle, in denen der Steuerpflichtige selbst die medizinische Notwendigkeit der Haarwurzeltransplantationen bescheinige, reiche als Nachweis nicht aus.

Heilbehandlung muss nicht zwingend heilen

Das Finanzgericht folgte überwiegend dem Finanzamt. Gegen diese Entscheidung legte der Arzt Revision beim BFH ein. Der BFH sah den Sachverhalt differenziert. Das Finanzgericht habe zu Unrecht angenommen, eine Behandlung setze voraus, dass auf die Ursachen einer Krankheit eingewirkt werde. Ausreichend sei es, wenn die Krankheitsfolgen durch Linderung von Schmerzen und Beschwerden abgeschwächt oder körperliche Mängel umgangen oder kompensiert würden. Nach EU-Rechtsprechung scheide eine Steuerbefreiung nur dann aus, wenn der Eingriff zu rein kosmetischen Zwecken erfolge. Das gilt insbesondere für Leistungen, die lediglich den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern oder das allgemeine Wohlbefinden steigern sollen.

Das Finanzgericht habe zu Unrecht den Transplantationen pauschal den therapeutischen Zweck abgesprochen und nicht hinreichend geprüft, inwieweit es sich bei den verschiedenen behandelten Formen des Haarausfalls um einen behandlungsbedürftigen Zustand handelt. Damit hat das Finanzgericht ein zu enges Verständnis des therapeutischen Zwecks zugrunde gelegt.

Es kommt auf den Einzelfall an

Ästhetische Behandlungen wie Haartransplantationen kommen als steuerfreie Heilbehandlungen in Betracht, wenn die Leistungen dazu dienen, Personen zu behandeln oder zu heilen, bei denen aufgrund einer Krankheit, Verletzung oder eines angeborenen körperlichen Mangels ein Eingriff ästhetischer Natur erforderlich ist. Die gesundheitlichen Probleme, die zu einer steuerfreien Heilbehandlung führen, können auch psychologischer Art sein. Erfolgt der Eingriff jedoch zu rein kosmetischen Zwecken, reicht dies nicht aus.

Bei ästhetischen Behandlungen, die sowohl Heilbehandlungszwecken als auch kosmetischen Zwecken oder der Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands dienen können und insofern einem Grenzbereich zuzuordnen sind, liegt nicht in jedem Fall eine Heilbehandlung vor, sondern es kommt auf eine Prüfung anhand der Umstände des Einzelfalls an.

Bescheinigung von medizinischem Fachpersonal notwendig

Da es um die Beurteilung einer medizinischen Frage geht, muss sie von dem entsprechenden Fachpersonal getroffen werden. Die rein subjektive Vorstellung, die der Patient von der Leistung hat, ist als solche für die Beurteilung nicht maßgeblich. Haarausfall kann einen behandlungsbedürftigen Zustand darstellen, wenn der Verlust oder Mangel an Haaren bereits für sich betrachtet Krankheitswert hat, objektiv entstellend wirkt oder zu Folgeerkrankungen führt.

Zu verlangen ist daher eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung, die Angaben insbesondere dazu enthalten soll, auf welcher tatsächlichen Grundlage die fachliche Beurteilung erfolgt ist, welche Methode der Tatsachenerhebung angewandt wurde, wie die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose) lautet, welchen Schweregrad die Erkrankung aufweist und welche (entstellenden oder psychischen) Folgen sich aus ihr ergeben.

Zu beachten ist dabei auch, dass die Feststellung einer entstellenden Wirkung oder einer psychischen Erkrankung typischerweise nicht durch einen Chirurgen (wie den Steuerpflichtigen), sondern durch einen dafür zuständigen Facharzt erfolgt.

Tipp: Das Finanzgericht muss im vorliegenden Fall noch einmal detailliert prüfen, ob es sich bei einem Teil der Haartransplantationen doch um umsatzsteuerfreie Heilbehandlungsleistungen handelt. Für Ärzte, die ähnliche Leistungen erbringen bedeutet dies, dass eine umfassende Diagnostik zu dokumentieren ist und stets eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung eines Facharztes, z. B. eines Facharztes für Psychotherapie oder Dermatologie vorgelegt werden kann.

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