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Abhängige Beschäftigung bei Piloten ohne Flugzeug

Bundessozialgericht urteilt zur Sozialversicherungspflicht
Abhängige Beschäftigung bei Piloten ohne Flugzeug
Aktuelles
29.05.2024

Abhängige Beschäftigung bei Piloten ohne Flugzeug

Bundessozialgericht urteilt zur Sozialversicherungspflicht

Durch den Fachkräftemangel üben vermehrt freie Mitarbeiter, Honorarkräfte oder Subunternehmer Arbeiten aus, die früher durch eigene Arbeitnehmer abgedeckt wurden. Dabei wird oftmals das Thema Sozialversicherung vernachlässigt. Man ist sich doch einig, dass der Auftragnehmer ein selbständiger Subunternehmer ist. Doch das reicht nicht aus, denn die Abgrenzung von selbständiger Tätigkeit und Beschäftigungsverhältnis kann im Einzelfall kompliziert sein. Eine fehlerhafte Beurteilung oder ein fehlendes Statusfeststellungsverfahren bergen erhebliche Risiken. Dem Auftraggeber droht bei nachträglicher Feststellung einer abhängigen Beschäftigung und eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses die Nachzahlung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge (einschließlich der Arbeitnehmeranteile). So auch im Urteil des Bundesozialgerichts vom 23. April 2024 (B 12 BA 9/22 R).

Abgrenzung selbständige Tätigkeit und abhängige Beschäftigung

Der Gesetzgeber versteht unter einer Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. In Abgrenzung dazu ist jemand im Allgemeinen selbständig, der im eigenen Namen und auf eigene Rechnung handelt, ein unternehmerisches Risiko trägt sowie unternehmerische Chancen wahrnehmen kann. Diese allgemeinen Kriterien wurden von der Rechtsprechung im Laufe der Zeit konkretisiert und weiterentwickelt. Die Abgrenzung erfolgt dabei stets aufgrund der Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls.

Vertrag über freie Mitarbeit schützt nicht vor Sozialversicherung

Im vorliegenden Fall verfügte das Unternehmen über ein Flugzeug, das es unter anderem für die Beförderung von Personal zu einem Produktionsstandort nutzte. Es schloss hierfür mit dem Piloten einen Rahmen-Dienstvertrag über „freie Mitarbeit als Flugzeugführer (Freelance)“. Zeitpunkt, Dauer, Art und Umfang eines jeden Einsatzes wurden im Einzelfall zwischen den Parteien vereinbart. Der Pilot teilte die möglichen Flugtage, das Unternehmen daraufhin die durchzuführenden Aufträge mit. Der Pilot war verpflichtet, die Aufträge persönlich durchzuführen und wurde grundsätzlich nach dem jeweiligen Einsatz mit 300 Euro pro Tag vergütet. Ihm war es gestattet, auch für andere Unternehmen oder sonstige Dritte tätig zu sein. Außer dem von dem Unternehmen vollgetankt zur Verfügung gestellten Flugzeug wurden weitere Arbeitsmittel nicht benötigt.

Eingliederung in Betrieb führt zu abhängiger Beschäftigung

Die Rentenversicherung und später auch das Landes- und Bundessozialgericht stellten fest, dass der Pilot für das Unternehmen – beginnend mit dem ersten Einsatz – der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlegen habe. Bei einer Gesamtbetrachtung der Umstände überwiegen die Anhaltspunkte für eine abhängige Beschäftigung. Der Wille der Vertragsparteien ist für die statusrechtliche Einordnung nicht ausschlaggebend. Dem Unternehmen stand zwar kein einseitiges Weisungsrecht gegenüber dem Piloten zu. Nach sozialversicherungsrechtlichen Maßstäben kann sich die persönliche Abhängigkeit aber auch ohne typische Weisungsabhängigkeit allein aus der Eingliederung in den Betrieb ergeben.

Unternehmerische Freiheit wesentliches Merkmal

Wesentlich ist, ob und inwieweit im Einzelfall noch Raum für eine unternehmerische Freiheit zur Gestaltung der Tätigkeit mit entsprechenden Chancen und Risiken verbleibt. Der Inhalt der einzelnen Aufträge und die höchstpersönliche Durchführungspflicht ließen dem Piloten hier keinen Spielraum zur eigenen unternehmerischen Ausgestaltung der Tätigkeit. Das Unternehmen hat die einzelnen Einsätze hinsichtlich Starts, Ziel und zu transportierender Güter beziehungsweise Personen entsprechend ihrem konkreten Bedarf bestimmt und der Pilot hat sich an den vereinbarten Arbeitstagen in diese Organisation eingefügt.

Fehlende Betriebsmittel weisen auf abhängige Beschäftigung hin

Von wesentlicher Bedeutung für die Eingliederung ist auch, dass der Pilot keine eigenen Betriebsmittel genutzt hat. Ihm wurde das für die Dienstleistung unentbehrliche Flugzeug ohne Nutzungsentgelt oder Auswahlmöglichkeit kostenfrei bereitgestellt. Ein Unternehmerrisiko lag nicht vor. Das allgemeine Risiko, keine weiteren Aufträge zu erhalten, ist nicht ausreichend. Dass der Pilot auch für andere tätig werden durfte und auch wurde, spricht nicht für seine Selbstständigkeit im Rahmen der Einzelaufträge. Wichtig: Jedes Vertragsverhältnis ist für sich zu beurteilen.

Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen wird teuer

Wird wie im Streitfall erst rückwirkend festgestellt, dass der Auftragnehmer abhängig beschäftigt ist, müssen die Gesamtsozialversicherungsbeiträge ab Beginn der Beschäftigung bis zur Grenze der Verjährung rückwirkend durch den Auftraggeber gezahlt werden. Eine Beschränkung des Nachzahlungszeitraumes auf vier Jahre ist möglich, wenn der Versicherer vorsätzliches oder grob fahrlässiges Vorenthalten der Beiträge ausschließt. Andernfalls besteht sogar eine Verjährungsfrist von 30 Jahren. Die Nachzahlung umfasst auch die Arbeitnehmerbeiträge. Diese können vom Auftraggeber nur maximal in den nachfolgenden drei Lohnabrechnungszeiträumen vom Auftragnehmer nachgefordert werden. Ist der Auftragnehmer nicht mehr für den Auftraggeber tätig, besteht keine Rückforderungsmöglichkeit. Darüber hinaus drohen Bußgelder und Strafverfahren. Daher sollte vorab stets im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens geprüft werden, ob ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt oder nicht.

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