Änderungen von Steuerbescheiden in Auslandsfällen
Bei Auslandsfällen ist naturgemäß nicht nur die Finanzverwaltung des eigenen Landes beteiligt, sondern oftmals auch eine ausländische Steuerbehörde. Und nicht immer passen die Fristen und Pflichten in beiden Ländern gut zusammen. Da kann es passieren, dass Besteuerungsnachweise aus dem einen Land erst vorliegen, wenn die Erklärungsfristen im anderen Land bereits abgelaufen sind. Der Gesetzgeber hat daher für solche Fälle Korrekturmöglichkeiten bei Steuerbescheiden vorgesehen. Doch auch diese gelten nicht unbegrenzt, wie der Steuerpflichtige im Urteilsfall des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 1. August 2024 (VI R 34/21) erfahren musste.
Britischer Ex-Soldat erhält noch Sold und Abfindung
Geklagt hatte ein britischer Staatsbürger, der mit seiner Frau in Deutschland lebte und bis Januar des Streitjahres als Soldat für die britischen Streitkräfte im Inland stationiert war. Für diese Tätigkeit erhielt er laufenden Sold und eine Abfindung sowie laufende Pensionszahlungen. Nach seinem Ausscheiden bei den Streitkräften war er bei einem anderen Arbeitgeber in Deutschland als Bürokraft beschäftigt.
Den Sold und die Pensionszahlungen der Streitkräfte behandelte der Steuerpflichtige richtigerweise als steuerfreien Arbeitslohn nach dem Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) Deutschland/Großbritannien. Die Abfindungszahlung versteuerte er in Deutschland. Er war der Ansicht, die Abfindungszahlung sei zwar nach britischem Steuerrecht in voller Höhe steuerfrei. Nach der Rückfallklausel im DBA-Großbritannien habe Deutschland jedoch das Besteuerungsrecht.
Rückfallklauseln sichern Besteuerung
Doppelbesteuerungsabkommen können unterschiedliche Regelungen enthalten, um zu verhindern, dass es zur Nichtbesteuerung von Einkünften kommt. In der Regel beziehen sich die Rückfallklauseln auf den Ansässigkeitsstaat, d. h. die Freistellung der Einkünfte in diesem Staat ist von der Besteuerung der betreffenden Einkünfte im Quellen- bzw. Tätigkeitsstaat abhängig.
So auch im DBA mit Großbritannien. Danach werden von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer die Einkünfte aus dem Vereinigten Königreich ausgenommen, die nach diesem Abkommen im Vereinigten Königreich tatsächlich besteuert werden.
Und auch die deutsche Finanzverwaltung hat sich im BMF-Schreiben vom 20. Juni 2013 (Tz. 2.3) eindeutig geäußert. Eine Nichtbesteuerung im anderen Staat liegt vor, soweit der Staat, dem das Besteuerungsrecht nach dem DBA zugewiesen ist, nach nationalem Recht Einkünfte nicht besteuern kann, insbesondere weil diese nicht steuerbar bzw. sachlich steuerbefreit sind.
Besteuerungsnachweis kann nachträglich erbracht werden
Der Nachweis über die Besteuerung im anderen Staat ist grundsätzlich durch Vorlage des Steuerbescheids der ausländischen Behörde und des Zahlungsbelegs zu erbringen. Soweit die erforderlichen Nachweise nicht erbracht werden, ist die Steuer unter Einbeziehung der betroffenen Einkünfte festzusetzen. Kann dieser Nachweis erst später erbracht werden, ist der deutsche Steuerbescheid bei Nachweis der ausländischen Besteuerung zu ändern.
Die Änderungsvorschrift eröffnet jedoch nach Ansicht des BFH keine vollumfängliche, nachträgliche abkommensrechtliche Überprüfung bestandskräftiger Steuerfestsetzungen auf ihre materielle Richtigkeit, sondern nur eine punktuelle Änderung, soweit der geforderte Nachweis über die Besteuerung im anderen Staat oder den Besteuerungsverzicht erst im Nachhinein geführt wird. Finanzamt und Steuerpflichtige müssen sich also bereits im Rahmen der Veranlagung inhaltlich einig sein, wo das Besteuerungsrecht liegt und die Freistellung darf nur am fehlenden Nachweis scheitern, der dann später nachgereicht werden kann. Und genau hier lag das Problem im Streitfall.
Keine Anwendung der Rückfallklausel bei Besteuerungsrecht nur von einem Land
Zunächst folgte das Finanzamt der Erklärung des Steuerpflichtigen und besteuerte die Abfindung. Nach Ablauf der Einspruchsfrist beantragte der Steuerpflichtige eine Änderung des Steuerbescheides. Das Besteuerungsrecht habe bei Großbritannien gelegen, auch wenn dieses es nicht ausgeübt habe. Das Finanzamt räumte zunächst eine fehlerhafte Besteuerung ein, verneinte aber eine Änderung, da die Änderungsvorschrift sich nur auf fehlende Nachweise, nicht aber auf inhaltliche Änderungen beziehe. Zudem war das Finanzamt nunmehr der Meinung, eine Besteuerung der Abfindung in Deutschland sei auch inhaltlich korrekt.
Das Finanzgericht Münster gab dem Steuerpflichtigen insoweit Recht, dass das Besteuerungsrecht der Abfindung in Großbritannien liege (Urteil vom 28.10.2021, 8 K 939/19 E). Im Artikel 18 des DBA wird das ausschließliche Besteuerungsrecht für die Abfindung Großbritannien zugewiesen. Bei einem ausschließlichen Besteuerungsrecht eines Landes, kommt es zu keiner Anwendung der Rückfallklausel. Aus diesem Grund fällt das Besteuerungsrecht nicht an Deutschland zurück, auch wenn Großbritannien die Abfindungszahlung tatsächlich nicht besteuert hat.
Falsche DBA-Anwendung führt nicht zur Änderungsmöglichkeit von Steuerbescheiden
Dieser inhaltlichen Beurteilung folgte der BFH und sah das Besteuerungsrecht ebenfalls bei Großbritannien. Das Finanzgericht ließ allerdings ebenfalls eine Änderung des Steuerbescheides nach der Vorschrift über nachträglich erbrachte Nachweise zu. Dem widersprach jedoch der BFH in seiner Entscheidung.
Eine Änderung des Steuerbescheids sei nicht mehr möglich. Denn vorliegend beruht die Besteuerung der Abfindung nicht auf dem fehlenden Nachweis für den britischen Steuerverzicht, sondern auf der (ursprünglich auch von den Steuerpflichtigen vertretenen) Rechtsauffassung, dass die Voraussetzungen für eine Freistellung nach dem DBA-Großbritannien aufgrund der Rückfallklausel nicht erfüllt seien. Ein bloßer (vermeintlicher) Rechtsfehler oder Rechtsirrtum erlaubt jedoch keine Änderung eines bestandskräftigen Steuerbescheids.