Land- und Forstwirtschaft oder gewerblicher Grundstückshandel
Wohnraum ist knapp und so versuchen Städte und Gemeinden immer wieder, neue Flächen für den Wohnungsbau zu finden. Oftmals veräußern hierbei ortsansässige Land- und Forstwirte aufgrund eines kommunalen Bebauungsplans entsprechende Grundstücke nach der Erschließung an private Käufer. In drei fast gleichlautenden Fällen hat der Bundesfinanzhof (BFH) jetzt zu entscheiden, ob die Erschließung, Parzellierung und Veräußerung bisher land- und fortwirtschaftlich genutzter Grundstücke zur Begründung eines gewerblichen Grundstückshandels führt oder noch ein Hilfsgeschäft des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs vorliegt.
Gemeinde überträgt Erschließung aufgrund von Bebauungsplan an Privatunternehmen
In den drei Fällen übertrug die Stadt die Erschließung des Bebauungsplangebiets (vormals landwirtschaftliche Flächen) durch einen Erschließungsvertrag auf ein Privatunternehmen. Dem Vertrag zwischen der Stadt und dem Privatunternehmen vorgelagert schlossen die Grundstückseigentümer mit dem Privatunternehmen einen Vertrag über die Erschließung von Wohnbaugrundstücken im Bebauungsgebiet. In diesem Vertrag verpflichteten sich die Grundstückseigentümer (die Landwirte) zur Übernahme bzw. Erstattung der anteiligen Erschließungskosten an das Privatunternehmen. In zwei der Streitfälle wurde auch die Herstellung eines Hauskontrollschachts für Schmutz- und Regenwasser durch die Grundstückseigentümer beauftragt. Die Landwirte nahmen im Rahmen von Eigentümerversammlungen mit der Stadt und dem Erschließungsunternehmen diverse Absprachen bezüglich Preisen und Gestaltung (z.B. Laternen) vor.
Nach erfolgter Erschließung veräußerten die Land- und Forstwirte die parzellierten Grundstücke an fremde Käufer als Baugrundstücke. Die Erschließungskosten wurden an die Käufer weiterberechnet.
Übernahme der Kosten als Merkmal für gewerblichen Grundstückshandel?
Die für die Baugrundstücke erzielten Veräußerungsgewinne berücksichtigten alle betroffenen Landwirte als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft und stellten diese größtenteils in eine steuerliche Rücklage zur Übertragung stiller Reserven bei der Veräußerung bestimmter Anlagegüter ein. Durch die Rücklagenbildung wurde die sofortige Versteuerung des Veräußerungsgewinns vermieden.
Im Rahmen einer Außenprüfung vertrat das Finanzamt bezüglich der Grundstücksverkäufe jeweils die Auffassung, dass diese im Rahmen eines gewerblichen Grundstückshandels und nicht im Rahmen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs erfolgt seien. Rechtsfolge sei, dass die betroffenen Baugrundstücke zu Buchwerten aus dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb in einen Gewerbebetrieb „gewerblicher Grundstückshandel“ überführt worden seien. Dort würden die Grundstücke Umlaufvermögen darstellen, die Veräußerungsgewinne seien als laufende Gewinne zu versteuern. Die Rücklagenbildung sei unzulässig. Dementsprechend erließ das Finanzamt geänderte Einkommensteuerbescheide und erstmals Gewerbesteuermessbescheide, in denen die Veräußerungsgewinne versteuert wurden.
Gegen diese Einschätzung wehrten sich die Landwirte. Der städtebauliche Vertrag zwischen dem Privatunternehmen und der Stadt sei logische Konsequenz der durch die Stadt ausgeübten Planungshoheit bezüglich der Erschließung, ohne dass es eines Zutuns der betroffenen Eigentümer bedurft habe. Diese seien von dem Erschließungsvertrag lediglich insoweit betroffen, dass die Abrechnung der Erschließungskosten nicht mehr hoheitlich durch einen Beitragsbescheid der Stadt, sondern aufgrund einer privatrechtlichen Vereinbarung mit dem Erschließungsträger erfolgen würde. Dass das Privatunternehmen sein unternehmerisches Risiko bereits im Vorfeld auf den Grundstückseigentümer abgewälzt habe, entspreche der üblichen Vorgehensweise. Im Übrigen hätten die Landwirte durch die vertragliche Kostenübernahme auch nicht das unternehmerische Risiko aus dem Erschließungsvertrag übernommen.
Reine Veräußerung auch mit Gewinn ist unschädlich
Das Finanzgericht Münster stimmte in allen drei Fällen den Landwirten zu und beurteilte die Veräußerungen als Hilfsgeschäfte der land- und forstwirtschaftlichen Betätigung. Die Veräußerung von Grund und Boden, der zum Anlagevermögen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs gehört, führt grundsätzlich zu Einnahmen aus Land- und Forstwirtschaft, weil die Veräußerung ein Hilfsgeschäft der land- und forstwirtschaftlichen Betätigung ist.
Grundstücksveräußerungen sind erst dann Gegenstand eines selbständigen gewerblichen Grundstückshandels und nicht mehr landwirtschaftliches Hilfsgeschäft, wenn der Landwirt über die Parzellierung und Veräußerung hinausgehende Aktivitäten entfaltet, die darauf gerichtet sind, den zu veräußernden Grundbesitz zu einem Objekt anderer Marktgängigkeit zu machen. Nach der Rechtsprechung des BFH ist hierbei auf das Gesamtbild der Verhältnisse und die Verkehrsauffassung abzustellen.
Ausübung von Mitwirkungsrechten führt nicht zur Gewerblichkeit
Danach reichen allein die wiederholte Vorsprache bei den Entscheidungsträgern der Gemeinde und die Vorlage eigener Planungsentwürfe lediglich im Rahmen der Mitwirkungsrechte nicht aus, um einen gewerblichen Grundstückshandel anzunehmen. Ebenso sind unter diesen Voraussetzungen auch die bloße Übernahme der Kosten der Planung und Erschließung sowie die Bereitstellung von Ausgleichsflächen für die Belange des Naturschutzes und der Abwasserentsorgung unschädlich. Selbiges gilt für die vertragliche Vorfinanzierung der anschließend auf die Erwerber überwälzten Erschließungskosten.
Entgegen der Auffassung des Finanzamtes sind die Erschließungsmaßnahmen des gewerblich tätigen Privatunternehmens auch nicht den Landwirten zuzurechnen. Denn die Stadt und nicht die Landwirte haben das Unternehmen mit den Erschließungsmaßnahmen durch einen eigenständigen Erschließungsvertrag beauftragt. Bei dem zwischen den Landwirten und dem Erschließungsunternehmen geschlossenen Vertrag handelt es sich um eine reine Kostentragungsregelung, die kein Auftragsverhältnis begründet und daher auch keine Zurechnung rechtfertigt.
Kostenübernahme ist unschädlich
Das konkrete Auftragsverhältnis besteht zwischen der Stadt und dem Erschließungsunternehmen. Die Erschließungsanlagen werden für die Kommune hergestellt und von dieser abgenommen; auch stehen alleine der Kommune die Gewährleistungsansprüche zu. Da die Landwirte somit nicht das wirtschaftliche Risiko der Erschließung selbst übernommen haben, ist eine Beauftragung des Unternehmens durch die Landwirte auch nicht aus der zeitlichen Reihenfolge der Eingehung der Vertragsbeziehungen abzuleiten.
Insbesondere kann es auch keinen Unterschied machen, ob die Gemeinde die Erschließung selbst übernimmt und den Steuerpflichtigen durch Erhebung eines Erschließungsbeitrags zur Kostentragung heranzieht oder ob die Gemeinde einen Erschließungsträger beauftragt und dieser sich durch privatrechtlichen Vertrag beim Steuerpflichtigen refinanziert. Die bloße Kostenübernahme ist stets als unschädlich anzusehen.
Die Herstellung der Kanalhausanschlüsse ist ebenfalls unschädlich. Denn insoweit ist zu berücksichtigen, dass die (isolierte) Errichtung der Kanalhausanschlüsse keine umfangreiche Tätigkeit erfordert. Durch die (isolierte) Herstellung der Schmutz- und Regenwasseranschlüsse – die bei einer Gesamtbetrachtung nicht ins Gewicht fallen – wird keine andere Marktgängigkeit geschaffen.
Auch die Vielzahl der Grundstücksverkäufe sowie die damit verbundene Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sowie die eigenständige Vermarktung der Grundstücke führt nicht zur Begründung eines gewerblichen Grundstückshandels, da auch umfangreiche Veräußerungen mit erheblichem Gewinn nicht als schädlich einzustufen sind.
Empfehlung:
Betroffene Landwirte sollten entsprechende Bescheide bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofes in den Revisionsverfahren (VI R 10/23, VI R 11/23 und VI R 8/23) offenhalten, um von einer gegebenenfalls positiven Entscheidung zu profitieren.