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Hinzuschätzungen bei Betriebsprüfungen sind vermeidbar

Richtsätze der Finanzverwaltung für Apotheken auf dem Prüfstand
Hinzuschätzungen bei Betriebsprüfungen sind vermeidbar
Aktuelles
20.10.2023 — zuletzt aktualisiert: 11.12.2023

Hinzuschätzungen bei Betriebsprüfungen sind vermeidbar

Richtsätze der Finanzverwaltung für Apotheken auf dem Prüfstand

Warum gerade ich? Diese Frage stellt fast jeder Unter­nehmer, wenn sich die Betriebsprüfer des Finanzamtes bei ihm ankündigen. Ob und wer geprüft wird, liegt grund­sätzlich im Ermessen des Finanzamtes. Eine Prüfung wird allerdings umso wahrscheinlicher, je unklarer dem zu­ständigen Bearbeiter des Finanzamtes die eingereichten Unterlagen erscheinen oder die Unterlagen sogar Unge­reimtheiten erkennen lassen.

Prüfer stellen Branchenvergleiche an

So wird das Misstrauen des Finanzamts auch geweckt, wenn beispielsweise die Gewinne einer Apotheke von Jahr zu Jahr stark schwanken und wenn dies nicht branchen­üblich ist. Aber auch wenn die Einnahmen zu gering sind, keine Entnahmen getätigt werden, Verträge mit Angehö­rigen geschlossen wurden oder Kontrollmitteilungen aus Betriebsprüfungen bei Lieferanten oder Kunden vorliegen. Bei all dem droht eine Betriebsprüfung. Geprüft wird dann die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung, insbesondere die Kassenführung und ob Umsatz oder Gewinn im Ver­hältnis zur Größe des Apothekenbetriebs besonders hoch oder niedrig ausfallen bzw. deutlich vom Branchendurch­schnitt abweichen. Um die einzelnen Unternehmen zu vergleichen und die Umsätze und Gewinne zu verproben, nutzt die Finanzverwaltung Richtsätze. Werden formale und materielle Mängel an der Buchführung festgestellt, droht eine Hinzuschätzung von Umsätzen oder Gewinnen, die häufig auf Basis der amtlichen Richtsatzsammlung des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) erfolgen.

Richtsätze von Apotheken seit 2019 unverändert

Die Richtsätze werden bei Handelsbetrieben, zu denen auch Apotheken zählen, in Prozentsätzen des wirtschaft­lichen Umsatzes für den Rohgewinn, den Halbreingewinn und den Reingewinn ermittelt. Zudem wird der Rohge­winnaufschlagsatz angegeben. Die Richtsätze für Apothe­ken wurden 2019 das letzte Mal angepasst.

Richtsätze Rohgewinnaufschlagsatz
auf Wareneinsatz
Rohgewinn in % des
wirtschaftlichen Umsatzes
Halbreingewinn in % des
wirtschaftlichen Umsatzes
Reingewinn in % des
wirtschaftlichen Umsatzes
Rahmensatz 27 – 39 21 – 28 14 – 22 4 – 13
Mittelsatz 33 25 18 8

Richtsätze für Apotheken

Rahmensätze berücksichtigen typische Abweichungen
Bei einer Schätzung wird das arithmetische Mittel aus den Einzelergebnissen zahlreicher geprüfter Apotheken heran­gezogen. Allerdings können besondere betriebliche und persönliche Verhältnisse zu nicht unerheblichen Abwei­chungen führen. Diese werden durch die Rahmensätze berücksichtigt, z. B. niedrigere Handelsspannen bei stark arztorientierten Apotheken in Ärztehäusern oder höhere Handelsspannen bei Apotheken in Einkaufszentren mit ei­nem geringeren Rezeptanteil oder Krankenhausapotheken.

Apotheker sollten individuelle Besonderheiten dokumentieren
Doch nicht jede Apotheke passt in das Schema der Prüfer. Besondere betriebliche oder persönliche Faktoren kön­nen dazu führen, dass die Betriebsergebnisse außerhalb der Richtsätze liegen. Apotheker sollten daher die Richt­sätze kennen und bei Abweichungen überlegen, womit diese zusammenhängen könnten. Diese Prüfung sollte nicht erst im Vorfeld oder während einer Betriebsprüfung erfolgen, sondern regelmäßig, z. B. nach Erstellung des Jahresabschlusses.

Hinweis: Nicht jedes Abweichen von den Richt­sätzen rechtfertigt eine Hinzuschätzung. Wurde der Gewinn formell ordnungsgemäß ermittelt, muss der Betriebsprüfer weitere Punkte anführen, z. B. Fehler in der Buchführung.

BFH muss Zweifel an den Richtsätzen klären
Die Schätzung anhand der Richtsatzsammlung wurde vom Bundesfinanzhof (BFH) bisher grundsätzlich als geeignete Schätzungs­ und Verprobungsmethode angesehen. Die Finanzverwaltung muss dabei allerdings die Schätzungs­grundlagen so darlegen, dass das Schätzergebnis nach­prüfbar und schlüssig ist. Doch genau dort gibt es in der Praxis immer wieder Probleme. Erstmals zweifelt auch der BFH an der Zulässigkeit einer Schätzung nach den Richt­sätzen. Er hat daher das BMF aufgefordert, die Kalkula­tionsgrundlagen der amtlichen Richtsatzsammlung zu erläutern, insbesondere welche Einzeldaten mit welcher Gewichtung einfließen.

Hinweis: Es bleibt abzuwarten, wie der BFH ent­scheidet. Bis dahin sollten Verfahren, in denen die Finanzbehörden auf Basis der Richtsätze hinzu­schätzen wollen, offengehalten werden, um von einer möglichen positiven Entscheidung profitieren zu können.

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