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Freistellung während der Kündigungsfrist

BFH urteilt zu Besteuerungsrecht von Arbeitslohn aus der Schweiz
Freistellung während der Kündigungsfrist
Aktuelles
13.11.2024 — Lesezeit: 5 Minuten

Freistellung während der Kündigungsfrist

BFH urteilt zu Besteuerungsrecht von Arbeitslohn aus der Schweiz

Seien es persönliche Gründe oder Umstrukturierungen – es kommt immer mal wieder vor, dass Arbeitnehmer noch während ihrer Kündigungsfrist von der Arbeit freigestellt werden. Gerade bei grenzüberschreitend tätigen Arbeitnehmern stellt sich dann die Frage, in welchem Land die weitergezahlten Vergütungen steuerpflichtig sind. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun in Bezug auf das Doppelbesteuerungsabkommen mit der Schweiz ein Urteil gefällt (Urteil vom 1. August 2024; VI R 23/22) und das Besteuerungsrecht während einer unwiderruflichen Freistellung dem Ansässigkeitsstaat zugesprochen.

Arbeitslohn trotz Freistellung

Im Streitfall war ein Außendienstmitarbeiter mit ausschließlichem Wohnsitz in Deutschland bei einem in der Schweiz ansässigen Unternehmen beschäftigt. Im April 2016 kündigte der Schweizer Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und stellte den Mitarbeiter bis Ende der Kündigungsfrist unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts mit sofortiger Wirkung unwiderruflich von seiner Arbeitsverpflichtung frei. Der Mitarbeiter erhielt bis zum Ende der Kündigungsfrist weiter seine laufenden Bezüge sowie eine Abfindungszahlung. Bis zum Beginn der Freistellung hatte der Mitarbeiter sowohl Arbeitstage in Deutschland als auch in der Schweiz. Die Grenzgängerregelung war für die Zeit bis zur Freistellung nicht anzuwenden, da der Mitarbeiter die schädlichen Nichtrückkehrtage überschritten hatte.

Das Finanzamt veranlagte den Mitarbeiter dahingehend, dass es den während des Zeitraums der Freistellung bezogenen Arbeitslohn dem deutschen Besteuerungsrecht unterwarf, während der Mitarbeiter von einer Besteuerung in der Schweiz ausging.

Keine Freistellung ohne Tätigkeitsausübung

Das Finanzamt, das Finanzgericht und schließlich auch der BFH sahen die Sache jedoch anders. Nur für die in der Schweiz ausgeübten Arbeitstage vor der Freistellung konnte der Mitarbeiter eine Steuerfreiheit unter Progressionsvorbehalt in Deutschland erreichen. Die Schweiz hat nach den einschlägigen Regelungen des Doppelbesteuerungsabkommens nur das Besteuerungsrecht für Arbeitstage, soweit die Tätigkeit in der Schweiz ausgeübt wurde. Während der Freistellungsphase hat der Steuerpflichtige seine Arbeit nicht in der Schweiz ausgeübt. Zahlungen, die bei Freistellung von der Arbeit geleistet werden, sind keine Abfindungen wegen der Auflösung eines Dienstverhältnisses, sondern Leistungen in Erfüllung eines modifizierten Dienstverhältnisses. Aufgrund der Freistellung von der Arbeit war der Kläger ab dem Zeitpunkt der Kündigung nicht mehr aktiv in der Schweiz tätig.

Da der Steuerpflichtige von der Arbeitspflicht unwiderruflich freigestellt war, musste er sich während der Freistellungsphase nicht in irgendeiner Weise für seinen Schweizer Arbeitgeber zur Verfügung halten. Denn der Arbeitnehmer wird im Falle der Freistellung nicht für das „Nichtstun“ an einem bestimmten Ort bezahlt. Vielmehr kann der Arbeitnehmer seinen Pflichten aus dem in der Freistellungsphase noch bestehenden modifizierten Arbeitsverhältnis an jedem beliebigen Ort nachkommen. Insoweit besteht keine unmittelbare Beziehung zwischen der „Nichtbeschäftigung“ des Steuerpflichtigen und der Schweiz als Arbeitsort. Deswegen verbleibt es bei der Grundregel, wonach alleine Deutschland als Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht für die Zahlungen in der Freistellungsphase zusteht.

BFH im Gleichklang mit der Finanzverwaltung

Mit diesem Urteil bezüglich der Vergütungen bei unwiderruflichen Freistellungen stimmt der BFH mit der Ansicht der Finanzverwaltung überein (BMF-Schreiben vom 12. Dezember 2023, Tz. 362). Im Falle einer unwiderruflichen Arbeitsfreistellung findet keine Tätigkeitsausübung statt, sodass grundsätzlich der Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht an den übrigen Vergütungen innehat.

Hinweis: Soweit die Arbeitsleistung in einem Sich-zur-Verfügung-Halten (z. B. Bereitschaftsdienst, Zeiträume der widerruflichen Arbeitsfreistellung im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses) besteht, ohne dass es zu einer Tätigkeit kommt, wird die Arbeitsleistung dort erbracht, wo sich der Arbeitnehmer während der Dauer des Sich-zur-Verfügung-Haltens tatsächlich aufhält.

Jahressteuergesetz 2024 – Gesetzesänderung im Einklang mit OECD-Musterabkommen

Die (Steuer)Welt könnte also in Ordnung sein. Jedoch plant der Gesetzgeber mit dem Jahressteuergesetz 2024 zwei Änderungen im Einkommensteuergesetz, die der Ansicht des BFH und den momentanen Verwaltungsanweisungen widersprechen. Zwar sind sich BFH und Finanzverwaltung wie oben beschrieben grundsätzlich einig, der OECD-Musterkommentar, der Grundlage für die Gestaltung und Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) ist, sieht die Sachlage jedoch anders. Danach ist der Arbeitslohn, den ein von seiner Tätigkeit freigestellter Arbeitnehmer für die Zeit vor Beendigung seines Arbeitsverhältnisses erhält, in dem Staat zu besteuern, in dem die Tätigkeit ohne die Freistellung ausgeübt worden wäre. Deutschland sieht wie erläutert das Besteuerungsrecht für solchen Arbeitslohn jedoch stets beim Ansässigkeitsstaat. Das führt zu Verwerfungen im Verhältnis zu einer Mehrheit von Staaten, die der Auffassung des OECD-Musterkommentars folgen und zur Gefahr von Doppel- oder Nichtbesteuerungen.

Daher ist geplant, das deutsche Einkommensteuergesetz an die Ansicht des OECD-Musterkommentars anzupassen. Zum einen soll die Liste der beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte im Einkommensteuergesetz ergänzt werden. Steuerpflichtig sind zukünftig auch Einnahmen für Zeiten der widerruflichen oder unwiderruflichen Arbeitsfreistellung im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, soweit ohne die Freistellung die Arbeit während dieser Zeiten im Inland ausgeübt worden wäre. Zum zweiten wird eine Regelung in den § 50d EStG zur Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen aufgenommen. Danach wird der Arbeitslohn, den ein von seiner Tätigkeit freigestellter Arbeitnehmer für die Zeit vor Beendigung seines Arbeitsverhältnisses erhält, in dem Staat besteuert, in dem die Tätigkeit ohne die Freistellung ausgeübt worden wäre. Dies gilt nicht, soweit das Abkommen in einer gesonderten, ausdrücklich solchen Arbeitslohn betreffenden Vorschrift eine abweichende Regelung trifft.

Fazit: Sollte die Regelung so beschlossen werden, ist zu erwarten, dass auch die Finanzverwaltung ihre Ansicht zügig an die neue Gesetzlage anpassen wird. Somit könnten unterschiedliche Auslegungen der Finanzverwaltungen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten künftig vermieden werden.

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