Rückwirkende Auszahlung von Kindergeld
Wer Kinder hat und in Deutschland wohnt, hat grundsätzlich auch Anspruch auf Kindergeld. Verzwickter wird es, wenn die Eltern und/oder Kinder im europäischen Ausland wohnen. In allen Fällen ist aber wichtig, die 6-Monats-Frist im Kopf zu behalten. Denn ob ausländischer Arbeitnehmer oder inländische Eltern – wer zu spät beantragt, bekommt nicht das volle ihm eigentlich zustehende Kindergeld, wie auch der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 11. Juli 2024, (Az. III R 31/23), bestätigte.
Kindergeld Anspruch in Deutschland
In Deutschland hat grundsätzlich Anspruch auf Kindergeld für seine Kinder, wer im Inland seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für Kinder unter 18 Jahren gilt dies uneingeschränkt; für Kinder zwischen dem 18. und 25. Lebensjahr müssen zusätzliche Bedingungen, beispielsweise die Ausbildung für einen Beruf, hinzukommen. Dabei spielt es innerhalb der EU/des EWR keine Rolle, wo das Kind wohnt. Kinder, die in einem Drittland wohnen, werden für das Kindergeld hingegen nicht berücksichtigt.
Besonderheiten bei EU/EWR-Staaten
Zieht ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder des EWR nach Deutschland, so hat er für die ersten drei Monate in Deutschland keinen Anspruch auf Kindergeld. Dies gilt nicht, wenn er nachweist, dass er inländische Einkünfte wie beispielsweise aus nichtselbständiger Arbeit erzielt.
Im Streitfall war der Vater, ein rumänischer Staatsangehöriger, von August bis Dezember 2018 in Deutschland nichtselbständig beschäftigt. Seine Ehefrau und die Kinder lebten in Rumänien. Die Ehefrau erhielt für die Kinder rumänisches Kindergeld. Erst im Mai 2019 beantragte der Vater in Deutschland Kindergeld. Nach europäischen Richtlinien hätte er Anspruch auf die Differenz zwischen der Höhe des deutschen und des rumänischen Kindergeldes.
Die Familienkasse lehnte den Antrag für den Zeitraum von August bis Oktober 2018 jedoch ab, weil der Antrag für diese Monate zu spät eingegangen sei. Die Begründung: Die Festsetzung für einen längeren Zeitraum als die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist, ist per Gesetz (in der bis Juli 2019 geltenden Fassung) ausgeschlossen. Dagegen klagte der Vater.
Auszahlungssperre bei rückwirkendem Antrag
Doch die Klage hatte keinen Erfolg. Die 6-Monatsfrist wurde bereits mehrfach von den Finanzgerichten bestätigt. Die Ausschlussfrist liegt nach Auffassung des BFH innerhalb des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers. Sie ist daher verfassungsrechtlich unbedenklich. Die Regelung wurde zwar inzwischen leicht modifiziert. Die Auszahlung von festgesetztem Kindergeld erfolgt nach der Neuregelung rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor dem Monat der Antragstellung. Im Endeffekt ist das Ergebnis das gleiche. Der Anspruch auf Kindergeld bleibt von dieser Auszahlungsbeschränkung unberührt und das Kindergeld wird, soweit alle anderen Voraussetzungen erfüllt sind, auch festgesetzt. Eine Auszahlung erfolgt rückwirkend jedoch maximal für sechs Monate. Daher wurde im vorliegenden Fall für die Monate August bis Oktober 2018 kein Kindergeld gezahlt, denn für diese Monate wurde die Frist im Zeitpunkt der Antragstellung überschritten.
Bei Änderung der Verhältnisse immer die Familienkasse informieren
Doch der Vater hatte weitere Argumente. Er hatte in Rumänien bereits einen Antrag auf Kindergeld gestellt. Nach seiner Argumentation heilt diese Antragstellung den fehlenden bzw. verspäteten Antrag in Deutschland. Grundsätzlich stimmte der BFH ihm darin zwar zu, denn die Ausschlussfrist kann auch durch einen zu berücksichtigenden, im Ausland gestellten Antrag gewahrt werden.
Doch nicht jede Antragstellung im Ausland wird berücksichtigt. Eine Antragsgleichstellung erfolgt nicht, wenn der Antrag im Wohnmitgliedstaat zu einem Zeitpunkt gestellt wurde, in dem noch kein Auslandsbezug vorlag. Liegt ein Auslandsbezug vor und teilt der Antragsteller den grenzüberschreitenden Sachverhalt weder den entsprechenden Behörden im Wohnmitgliedstaat noch im Tätigkeitsstaat mit, stellt allein der Umstand, dass der Steuerpflichtige wiederkehrende Leistungen, also rumänisches Kindergeld, erhalten hat, keinen Antrag dar. In Streitfall hatten die rumänischen Behörden keinerlei Kenntnis über die Auslandstätigkeit des Vaters. Daher konnte der BFH den bereits früher erfolgten Antrag auf rumänisches Kindergeld nicht für Deutschland gelten lassen.
Tipp: Eltern sollten daher immer auf eine fristgerechte Antragstellung achten und Änderungen in den Anspruchsvoraussetzungen der Familienkasse mitteilen.
Ausblick: Geplante Gesetzesänderungen in Deutschland
Im noch von der Ampelregierung eingebrachten Steuerfortentwicklungsgesetz sind auch Änderungen im Bereich des Kindergeldes geplant. Inwieweit diese noch Gesetz werden, bleibt abzuwarten. Es war eine Anhebung des Kindergeldes ab 2025 auf 255 Euro und ab 2026 auf 259 Euro geplant. Zusätzlich sollte das Kindergeld künftig automatisiert mit dem Kinderfreibetrag angehoben werden.
Des Weiteren sollten Anpassungen aufgrund der Rechtsprechung des EuGH zur Gewährung von Kindergeld und von Freibeträgen für Kinder an Unionsbürger umgesetzt werden. Künftig sollte der Kindergeldanspruch von Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union, des EWR oder der Schweiz nicht mehr an die Erzielung inländischer Einkünfte, sondern nur noch an den rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland aufgrund der Freizügigkeitsberechtigung sowie der allgemeinen Voraussetzungen für Kindergeld geknüpft sein. Damit würde die 3-monatige Wartefrist entfallen.