Zwischen Preisexplosion, Mitarbeitermangel und Zuversicht: Die Gastronomie 2023 – Eine Branche im Wandel
Das Jahr 2023 ist erneut ein herausforderndes Jahr für die Gastronomie. Die Folgen des Ukraine-Krieges werden jetzt so richtig spürbar, die Inflation bei Lebensmitteln und Energie liegt deutlich über dem Durchschnitt, und auch der Mitarbeitermangel hat die Branche weiterhin fest im Griff. Hoffnung machen hingegen die Fortschritte bei der Digitalisierung des Gastgewerbes und neue Möglichkeiten, mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) die eigenen Prozesse zu optimieren, sagt Erich Nagl. Der Leiter von ETL ADHOGA, den Spezialisten für Gastronomie und Hotellerie bei Deutschlands größter Steuerberatungsgruppe ETL, weiß, worauf Gastronomen achten müssen, um für das kommende Jahr erfolgreich zu sein. Der Politik redet der Branchenexperte derweil ins Gewissen.
Mehrwertsteuersenkung auf Speisen entfristen
„Die Politik lässt die Branche zappeln“, kritisiert Erich Nagl im Interview zur Lage des Gastgewerbes im Sommer 2023. Hintergrund ist die anhaltende Unklarheit, was eine Entfristung der übergangsweise auf 7 Prozent gesenkten Mehrwertsteuer auf Speisen anbelangt. Erst kürzlich verschob der Bundestag eine entsprechende Entscheidung auf den Herbst dieses Jahres. Für die Gastronomen ein Nervenspiel mit potenziell erheblichen Folgen. Schließlich wäre eine erneute Anhebung des Steuersatzes auf 19 Prozent, wie er vor der Corona-Pandemie galt, „verheerend“, wie Nagl betont. Dadurch würde eine Weitergabe der steigenden Preise an die Gäste unausweichlich, so der ETL ADHOGA-Leiter. Die Kunden wiederum würden darauf voraussichtlich mit Verzicht reagieren. „Das entspannt sich zwar irgendwann, aber die Frage ist: wer ist dann überhaupt noch im Spiel?“. Nagl nutzt die Gelegenheit, Bundeskanzler Olaf Scholz an sein Wahlkampfversprechen von 2021 zu erinnern: „Er hat damals gesagt, dass der Mehrwertsteuersatz auf Speisen nie wieder angehoben wird. Aber bis heute zittert die Branche.“.
Das Bangen um die Entfristung vollzieht sich vor der im Gastgewerbe überdurchschnittlichen Inflation. „Was die Gastronomie am meisten braucht, sind Lebensmittel und Energie. Hier liegt die Teuerung deutlich über den 7 bis 8 Prozent, die öffentlich kolportiert werden. Damit müssen Unternehmer lernen, umzugehen“, betont Nagl. Aber wie? Einerseits könne man sein Einkaufsverhalten saisonal anpassen, andererseits gelte es, innerbetriebliche Prozesse zu optimieren. Controlling lautet das Stichwort: „Keiner kann sich in dieser Lage leisten, sein Potenzial durch ineffiziente Prozesse oder Fehlallokationen zu verschwenden.“.
Potenziale der Digitalisierung ausschöpfen
Dem Gastgewerbe empfiehlt der Branchen-Experte, sich weiter für die Chancen der Digitalisierung zu öffnen. Vor allem am Point of Sale, im Bereich der Kassen, sei mit einem großen Entwicklungssprung durch KI zu rechnen. So würden Bedienungsfehler, Falschangaben oder Manipulationen durch KI-gestützte Kassensysteme dezimiert. „Der Betriebsprüfer wird sich an der KI die Zähne ausbeißen“, ist sich Nagl sicher. Auch wegen des dramatischen Mitarbeitermangels sei der Einsatz von Robotern schon jetzt Alltag in der Branche. Nach Angaben des Branchenverbandes DEHOGA liegt die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten immer noch unter dem Niveau von 2019. „Es fehlt massiv an helfenden Händen und zwar in einer Größenordnung, wie wir sie noch nie gesehen haben.“.
Effizienz nach innen, Emotionalität nach außen steigern
Schwarzmalerei ist aber weder die Sache Nagls, noch die Stimmungslage innerhalb der Branche. Wer die Herausforderungen der Zeit erkenne und es schaffe, jetzt den Fokus auf prozessuale Verbesserungen zu richten, der werde auch in Zukunft erfolgreich sein, betont Nagl im Interview. Wer mehr Effizienz im Hintergrund walten lasse, um seine Zeit und knappen Ressourcen auf den Gast zu konzentrieren, der sei „auch im nächsten Jahr ganz vorne mit dabei“. „Systemisch arbeiten im Back-Office, Leidenschaft und Emotionen nach außen vermitteln, das ist die Erfolgsformel für 2024“, erklärt Nagl.
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