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Tarifermäßigung für Land- und Forstwirte

Niedersächsisches Finanzgericht zweifelt an Verfassungsmäßigkeit
Tarifermäßigung für Land- und Forstwirte
Aktuelles
11.07.2024

Tarifermäßigung für Land- und Forstwirte

Niedersächsisches Finanzgericht zweifelt an Verfassungsmäßigkeit

Die Tarifermäßigung für Land- und Forstwirte beschäftigt aktuell nicht nur das Niedersächsische Finanzgericht in seinem Urteil vom 24. April 2024 (4 K 6/24). Auch der Bundestag befasst sich erneut mit der Regelung. Denn nach aktueller Gesetzeslage ist die Regelung mit Ende des Jahres 2022 ausgelaufen. Zur Entlastung der Land- und Forstwirte soll sie nun mit dem Gesetz zur Verlängerung der Tarifermäßigung für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft um zwei Betrachtungszeiträume und somit bis Ende 2028 verlängert werden. Doch schon bezüglich der Altregelung hatte das Finanzgericht Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit. Ob vor diesem Hintergrund die Verlängerung ohne Anpassungen das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen wird, bleibt abzuwarten.

Abmilderung der Folgen des Klimawandels

Ziel der Einführung der Vorschrift war eine steuerliche Entlastung aufgrund des globalen Klimawandels, welcher zunehmend spürbar zu massiven Ernteausfällen und daraus resultierenden schwankenden Gewinnen führe. Konkret sollte eine ausgeglichene Besteuerung aufeinanderfolgender guter und schlechter Wirtschaftsjahre gewährleistet werden, indem die progressive steuerliche Belastung durch die Gewinnschwankungen nachträglich durch eine individuelle Steuerermäßigung korrigiert wird.

Gewinnverteilung auf drei Veranlagungszeiträume

Bei der sogenannten Tarifermäßigung wird auf Antrag des Steuerpflichtigen nach Ablauf von drei Veranlagungszeiträumen (Betrachtungszeitraum) für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft eine Tarifermäßigung gewährt. Dies erfolgt in der Form, dass die Summe der tatsächlichen tariflichen Einkommensteuer in den drei Jahren mit einer fiktiven tariflichen Einkommensteuer verglichen wird. Ist die tatsächliche Steuer höher, erfolgt im letzten Jahr des Betrachtungszeitraums eine Ermäßigung der tatsächlichen Einkommensteuer um den Differenzbetrag. Dafür müssen aber in mindestens zwei Veranlagungszeiträumen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielt werden.

Die fiktive tarifliche Einkommensteuer wird für jeden Veranlagungszeitraum des Betrachtungszeitraums gesondert ermittelt. Dabei wird die Summe der tatsächlichen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft gleichmäßig auf die Veranlagungszeiträume des Betrachtungszeitraums verteilt. Eine Erhöhung der tariflichen Einkommensteuer ist ausgeschlossen. Sofern bei der Berechnung der Tarifermäßigung die Summe der fiktiven tariflichen Einkommensteuer die Summe der tatsächlichen tariflichen Einkommensteuer übersteigt, ist die Tarifermäßigung mit Null Euro anzusetzen.

Finanzgericht zweifelt an Verfassungsmäßigkeit

Im Urteilsfall ging es in der Hauptsache um Details der Berechnung der Tarifermäßigung in Bezug auf Kindergeld und Kinderfreibetrag. Bei der Berechnung der fiktiven tariflichen Einkommensteuer kann es dazu kommen, dass Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen oder Kinderfreibeträge nicht oder in veränderter Höhe zu berücksichtigen sind. Dieser Umstand kann sich sowohl zugunsten als auch zuungunsten auswirken. Es erfolgen für diese Zwecke keine Zu- und Abrechnungen auf die (fiktive) tarifliche Einkommensteuer. Das Finanzgericht hat diese Verwaltungspraxis in seinem Urteil bestätigt.

Interessanter sind jedoch die Ausführungen des Finanzgerichts zur Verfassungsmäßigkeit der Regelung. Das Finanzgericht hatte Zweifel, ob der Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes noch eingehalten sei. Dieser sei dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst sachlich einleuchtender Grund für eine gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt.

Gemessen an diesen Grundsätzen lasse sich die Regelung der Tarifglättung nicht mit dem Grundgesetz in Einklang bringen, da diese nur dann gewährt wird, wenn zumindest auch Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielt werden. Damit liegt offensichtlich eine unterschiedliche Behandlung von Steuerpflichtigen, die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielen und solchen, die (ausschließlich) andere Einkünfte erzielen, vor. Da nach der Rechtsprechung allein die Differenzierung nach unterschiedlichen Einkunftsarten nicht ausreicht, stellt sich die Frage, ob die vom Gesetzgeber angeführten Gründe die Sonderregelung rechtfertigen können. Eine solche Rechtfertigung ist aus Sicht der Finanzrichter nicht ersichtlich.

Klimawandel trifft auch andere Branchen

Ohne Frage können die Folgen des Klimawandels und der dadurch ausgelösten Wetterextreme sowohl die typischen landwirtschaftlichen Tätigkeitsbereiche des Ackerbaus als auch der Tierzucht betreffen. Indes können etwa auch Bezieher von Einkünften aus Gewerbebetrieb von den benannten Folgen ebenso betroffen sein. Zu denken ist hier insbesondere an den gesamten Bereich der Außengastronomie (z. B. Eisdielen und Biergärten), den Bereich der Schausteller (z. B. Jahrmärkte), den Bereich der Freizeitgestaltung unter freiem Himmel (z. B. Freizeitparks, Zoos) oder auch ab gewerbliche Tätigkeiten im Bereich der Landwirtschaft (z. B. Vieh- oder Getreidevermarktung).

Demgegenüber unterliegen auch nicht sämtliche Lebenssachverhalte, die zu Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft führen, den Folgen des Klimawandels. So erzielen nicht wenige Land- und Forstwirte die Einkünfte allein aus der Verpachtung des ehemals selbst bewirtschafteten Betriebs. Die Einkünfte hängen hier im Grundsatz nicht von der Witterung ab.

Rechtsform entscheidet über Begünstigung

Des Weiteren stellt die Tarifbegünstigung allein auf die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft ab und nimmt daher die Betriebe von der Begünstigung aus, die zwar landwirtschaftlich tätig werden, aber kraft Rechtsform Einkünfte aus Gewerbebetrieb beziehen. So können originär landwirtschaftliche Einkünfte in solche aus Gewerbebetrieb umqualifiziert werden. Auch Betriebe, die in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft, z. B. einer GmbH betrieben werden, profitieren nicht von der Regelung.

Hinweis: Gleichwohl sieht der Senat von einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht ab. Die Entscheidung des Finanzamtes stellt sich aus anderen Gründen als zutreffend dar, sodass es im Streitfall an einer Entscheidungserheblichkeit der Frage der Verfassungsmäßigkeit fehlt. Land- und Forstwirte können also weiter hoffen, dass die Tarifermäßigung mit dem geplanten Gesetz bis Ende 2028 verlängert wird.

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