Prozesskosten bei drohender Rückabwicklung eines Altenteilervertrages
Im land- und forstwirtschaftlichen Bereich ist es nicht unüblich, dass der Hof an die nächste Generation gegen eine Altenteilerleistung, meist freie Kost und Wohnung, übergeben wird. Doch was, wenn die Übergeberin es sich anders überlegt, wie im vorliegenden Fall, den das Finanzgericht Niedersachsen (Urteil vom 15. Mai 2024, Az. 9 K 28/23) zu entscheiden hatte? Die angefallenen Prozesskosten, um die drohende Rückgabe abzuwenden, wollte der Steuerpflichtige als außergewöhnliche Belastungen in seiner Steuererklärung ansetzen.
Übergabe gegen Altenteilervertrag
Der Steuerpflichtige erzielte im Streitjahr Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft aus einem Forstbetrieb. Daneben erzielte er Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Er war vor der Übergabe des Betriebs an ihn als angestellter Forstwirt im Betrieb tätig. Die Übertragung erfolgte gegen Altenteilerleistung. Mitübertragen wurden drei vermietete Einfamilienhäuser sowie ein Reiterhof. Der Steuerpflichtige führte den Forstbetrieb selbtständig fort, den Reiterhof verpachtete er.
Prozesskosten aufgrund drohender Rückübertragung
Im Anschluss an die Übertragung des Forstbetriebs, des Reiterhofs sowie der drei Einfamilienhäuser kam es zum Streit über die Wirksamkeit der von der Übergeberin abgegebenen Willenserklärungen. Die Übergeberin verlangte vom Steuerpflichtigen die Rückübertragung des Forstbetriebs, des Reiterhofs sowie der drei Einfamilienhäuser. Zur Durchsetzung ihres Rückübertragungsverlangens erhob die Übergeberin Klagen beim Landgericht. Zur Begründung führte sie aus, bei Vertragsabschluss demenzbedingt geschäftsunfähig gewesen zu sein.
Der Prozess endete letztendlich mit einem Vergleich, bei dem der Steuerpflichtige sich verpflichtete, Teilflächen zurückzugeben. Aufgrund des Vergleichs hatte der Steuerpflichtige keine Forstflächen auf die Erben zurück zu übertragen, sodass er den Forstbetrieb ungeschmälert fortführen konnte. Seine Verpflichtung zur Rückübertragung der drei Einfamilienhäuser erfüllte der Kläger zu einem späteren Zeitpunkt durch Zahlung eines Ablösebetrags an den Erben der Übergeberin.
Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen
Bei der Ermittlung seines Gewinns machte der Steuerpflichtige die Rechtsanwalts- und Prozesskosten als Betriebsausgaben geltend. Der Außenprüfer vertrat jedoch die Auffassung, dass diese weder als Betriebsausgaben des forstwirtschaftlichen Betriebs noch im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden könnten.
Außergewöhnliche Belastungen liegen vor, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen. Die gesetzlich vorausgesetzte Zwangsläufigkeit liegt vor, wenn der Steuerpflichtige sich den Aufwendungen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Prozesskosten sind allerdings grundsätzlich vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.
Existenzgrundlage muss gefährdet sein
Der Steuerpflichtige argumentierte, dass eine Rückgabe des Forstbetriebes bzw. eine Rückabwicklung des Vertrages zu einem Verlust seiner Existenzgrundlage führen würde. Daher seien die Prozesskosten notwendig gewesen und abzugsfähig. Es sei keineswegs sicher, dass er im Falle einer Rückabwicklung des Übergabevertrags wieder als angestellter Forstwirt im Forstbetrieb der Übergeberin beschäftigt worden wäre. Ihm wäre die Möglichkeit genommen worden, aus dem übertragenen Vermögen einen nachhaltigen Ertrag zu erzielen. Die aus dem Forstbetrieb erzielten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft stellten den weit überwiegenden bzw. wesentlichen Teil seiner Einkünfte dar.
Das Finanzamt argumentierte anders. Die Entscheidung einen Prozess zu führen, erfolge stets freiwillig. Bei einem Zivilprozess bliebe es den Parteien überlassen, ob sie sich zur Durchsetzung oder Abwehr eines zivilrechtlichen Anspruchs einem Prozessrisiko aussetzten. Eine Bedrohung der Existenz durch die Rückübertragung sah das Finanzamt nicht. Denn sofern der Steuerpflichtige nicht wieder als angestellter Forstwirt hätte arbeiten können und gekündigt worden wäre, hätte ihm ein Anspruch auf Arbeitslosengeld zugestanden.
Verweis auf Sozialsysteme nicht zielführend
Die Finanzrichter folgten der Argumentation des Finanzamtes nicht und ließen den Abzug der Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung zu. Erforderlich sei, dass die bedrohte Vermögenseinheit den wesentlichen Teil des Vermögens (mehr als 85 Prozent) des Steuerpflichtigen ausmacht und es sich um ertragbringendes Vermögen handelt. Die Finanzrichter sehen eine Gefahr für die Existenzgrundlage und die Fähigkeit zur Befriedigung der lebensnotwendigen Bedürfnisse, wenn das sozialrechtliche oder steuerliche Existenzminimum berührt wird. Denn in diesen Fällen können die lebensnotwendigen Bedürfnisse „im üblichen Rahmen“ nicht mehr befriedigt werden.
Dem Hinweis des Finanzamtes auf die sozialen Sicherungssysteme in der Bundesrepublik Deutschland wollten die Finanzrichter nicht zustimmen. Denn der „übliche Rahmen“ stellt nicht auf das sozialrechtlich Notwendige, sondern auf die Üblichkeit innerhalb der Vergleichsgruppe ab. Unter dem Begriff der lebensnotwendigen Bedürfnisse im üblichen Rahmen ist – entgegen der Auffassung des Finanzamtes – etwas anderes als der Notbedarf zu verstehen, der bereits durch den steuerlichen Grundfreibetrag abgedeckt wird.
Nach diesen Grundsätzen drohte dem Kläger der Verlust seiner Existenzgrundlage, weil der Forstbetrieb den wesentlichen ertragbringenden Teil seines Vermögens darstellte. Die übrigen Einkünfte des Steuerpflichtigen, die weder den Forstbetrieb noch – die ebenfalls von der Rückabwicklung bedrohten – Einkünfte aus dem Reiterhof und der Vermietung der drei Einfamilienhäuser betrafen, verblieben unterhalb einer Restquote von 15 Prozent. Dem Abzug der Prozesskosten zur Sicherung seiner Existenz war daher stattzugeben.
Hinweis: Wie so oft kommt es auf den konkreten Sachverhalt im Einzelfall an. Gerade beim Abzug von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen haben Steuerpflichtige meist die schlechteren Karten. Und auch im vorliegenden Fall kann sich der Steuerpflichtige noch nicht sicher sein, denn gegen das Urteil wurde Revision beim Bundesfinanzhof eingelegt (Az. VI R 22/24). Es bleibt also abzuwarten, wie die obersten Finanzrichter urteilen.