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Margenbesteuerung bei Kaffeefahrten

Bundesfinanzhof ruft Europäischen Gerichtshof an
Margenbesteuerung bei Kaffeefahrten
Aktuelles
27.08.2024 — zuletzt aktualisiert: 11.10.2024

Margenbesteuerung bei Kaffeefahrten

Bundesfinanzhof ruft Europäischen Gerichtshof an

Es war ein beliebtes Geschäftsmodell – die sogenannten Kaffeefahrten. Unternehmer boten kostenlos oder sehr preisgünstig Tagesausflüge an und die Teilnehmer fanden sich unverhofft in Verkaufsveranstaltungen für Decken, Nahrungsergänzungsmittel oder Matratzen wieder. Süßer Kaffee für die Reisenden, aber nun vielleicht bitterer Kaffee für die Reiseveranstalter? Denn noch immer ist unklar, wie die Besteuerung dieser Leistungen in der Umsatzsteuer zu erfolgen hat. Ist die Margenbesteuerung für Reiseleistungen auf die sogenannten Kaffeefahrten anzuwenden und falls ja, auch dann, wenn die Marge negativ ist? Der Bundesfinanzhof (BFH, Vorlage vom 20. Juni 2024, V R 30/23) hat jetzt nach über 20 Jahren Rechtsstreit den Europäischen Gerichtshof angerufen.

Besteuerung von Reiseleistungen

Im Gegensatz zum allgemeinen Umsatzsteuersystem mit Vorsteuerabzug bildet bei Reiseleistungen die Differenz (Marge) von Reiseerlösen und Reisevorleistungen die Besteuerungsgrundlage. Voraussetzung ist, dass der die Leistung ausführende Unternehmer mit seiner Reiseleistung gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen auftritt und sogenannte Reisevorleistungen in Anspruch nimmt. Reisevorleistungen sind Lieferungen und sonstige Leistungen Dritter, die den Reisenden unmittelbar zugutekommen.

Als Folge dieser Differenzbesteuerung bzw. Margenbesteuerung ist der Unternehmer nicht berechtigt, die in den Reisevorleistungen enthaltene Vorsteuer abzuziehen. Grundlage der deutschen Gesetzgebung sind Art. 306 bis 310 der europäischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie.

Sind Kaffeefahrten Reiseleistungen?

In dem schon seit 20 Jahren schwelenden Rechtsstreit (BFH Urteile vom 13. Dezember 2018 – V R 52/17 und V R 53/17) ging es um zwei Hauptfragen. Danach war zu klären, ob die Margenbesteuerung – und damit die Versagung des Vorsteuerabzugs – nur für entgeltlich erbrachte Leistungen anzuwenden ist oder auch für unentgeltliche. Die zweite Frage betraf den anzuwendenden Steuersatz auf bestimmte, als „Kurpaket“ verkaufte Nahrungsergänzungsmittel.

Nachdem der BFH im Jahr 2018 die Verfahren an das Finanzgericht Niedersachsen zurückverwiesen hatte, erfolgte nun nach wiederholten Urteilen des Finanzgerichts Niedersachsen erneut die Revision an den BFH (Az. V R 30/23 und V R 29/23).

Entgeltlich oder unentgeltlich?

Im Streitfall überstiegen die vom Unternehmen gezahlten Aufwendungen für Busunternehmen in der Höhe bei weitem die von den Kunden erhaltenen Fahrtgelder. Während die Steuerpflichtige den Vorsteuerabzug in voller Höhe für alle Busreisen begehrte, gewährte das Finanzgericht diesen im zweiten Rechtsgang nur für den unentgeltlichen Anteil der Fahrten. Beim entgeltlichen Teil war die Marge durch die höheren Aufwendungen negativ, so dass sich keine Differenz zur Besteuerung ergab.

Eine Zuordnung der die Fahrtgelder übersteigenden Aufwendungen für die Busunternehmern zu den Verkaufserlösen aus den Nahrungsergänzungsmitteln und anderen Produkten gewährte das Finanzgericht nicht. Die Buskosten als Eingangsleistung stünden objektiv in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang zu den von der Steuerpflichtigen gegen Entgelt durchgeführten Ausflugsfahrten als Ausgangsleistung. Sie stünden allenfalls mittelbar im Zusammenhang mit dem Warenverkauf, der eine von der Ausflugsfahrt verschiedene, selbständige Leistung darstelle. Ein Vorsteuerabzug scheide daher aus.

BFH holt sich Rat beim EuGH

Der BFH hat sich entschieden, die Sache nun einmal grundsätzlich vom EuGH klären zu lassen, da die deutschen Vorschriften auf den entsprechenden EU-Regelungen beruhen. Im Detail möchte der BFH vom EuGH die folgenden drei Fragen beantwortet haben:

1. Handelt es sich bei einem von einem „Gewerbetreibenden außerhalb von dessen Geschäftsräumen organisierten Ausflug“ um „bei Durchführung einer Reise vom Reisebüro erbrachte Umsätze“ im Sinne der Mehrwertsteuersystemrichtlinie?

  1. Falls die erste Frage zu bejahen ist: Ist die Sonderregelung für Reisebüros auch dann anzuwenden, wenn die als Besteuerungsgrundlage geltende Marge negativ ist, weil die tatsächlichen Kosten den vom Reisenden zu zahlenden „Gesamtbetrag ohne Mehrwertsteuer“ übersteigen?
  2. Falls die erste und die zweite Frage zu bejahen sind: Führt eine negative Marge zu einer Erstattung von Umsatzsteuer an den Steuerpflichtigen?

Fehlende Vorsteuererstattung bei negativer Marge rechtswidrig?

Bei den auf den ersten Blick einfachen Fragen steckt der Teufel im Detail. Zur Frage der Vergleichbarkeit beispielsweise merkt der BFH an, dass Reisebüros und Reiseveranstalter üblicherweise so kalkulieren, dass sie mit den Reiseleistungen Gewinne erzielen. Das Geschäftsmodell der Steuerpflichtigen ist dagegen darauf ausgerichtet, Gewinne durch Warenverkäufe zu erzielen, mit denen sie die von ihr einkalkulierten Verluste aus den Ausflugsfahrten abdeckt.

Und übersteigen die tatsächlichen Kosten den vom Reisenden zu zahlenden Gesamtbetrag, so dass eine negative Marge vorliegt, stellt sich die Frage, ob dies der Anwendung der Sonderregelung im Hinblick auf den mit ihr bezweckten vereinfachten Abzug der Vorsteuer entgegensteht.

Denn bei einer negativen Marge kommt es in Bezug auf die tatsächlichen Kosten für Eingangsleistungen bei Anwendung der Sonderregelung zu keinem Vorsteuerabzug, während die Anwendung der allgemeinen Mehrwertsteuerregelung in Fällen, in denen die Vorsteuer auf die Eingangsleistungen die Steuer auf die Ausgangsleistungen übersteigt, zu einer Erstattung an den Steuerpflichtigen führt. Dagegen werden durch die Sonderregelung Steuerpflichtige, bei denen eine negative Marge entsteht, mit Vorsteuerbeträgen für Leistungen, die sie für ihr Unternehmen bezogen haben, wirtschaftlich belastet.

Empfehlung

Es bleibt zu hoffen, dass mit der (leider erst in einigen Jahren) zu erwartenden Entscheidung des EuGH endlich Klarheit über die Besteuerung solcher Geschäftsmodelle herrscht. Bis dahin sollten betroffene Steuerpflichtige entsprechende Bescheide nach Möglichkeit offenhalten.

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