Differenzbesteuerung: Besondere Form der Umsatzbesteuerung für Wiederverkäufer
Wer als Unternehmer tätig ist, muss sich auch mit dem Thema „Umsatzsteuer“ beschäftigen. Auf den ersten Blick scheint das auch gar nicht so kompliziert zu sein. Auf Lieferungen und Dienstleistungen fallen grundsätzlich 19 Prozent Umsatzsteuer an. Für einige Umsätze gilt ein ermäßigter Steuersatz von 7 Prozent und einige Lieferungen und Dienstleistungen sind von der Umsatzsteuer befreit. Doch der erste Eindruck täuscht. Spätestens, wenn Unternehmer grenzüberschreitend tätig werden, ist umsatzsteuerlich vieles zu beachten. Aber auch für Unternehmer, die auf Online-Plattformen handeln, ein Secondhandgeschäft oder einen Gebrauchtwarenhandel betreiben, gibt es umsatzsteuerliche Besonderheiten. Sie können die sogenannte Differenzbesteuerung anwenden.
Wer gilt als Wiederverkäufer?
Wiederverkäufer sind Unternehmer, die gewerbsmäßig mit beweglichen körperlichen Gegenständen handeln oder solche Gegenstände öffentlich versteigern. Das scheint zunächst auf jeden Händler zuzutreffen. Das Besondere ist, dass Wiederverkäufer typischerweise gebrauchte Gegenstände zum Zweck des Wiederverkaufs einkaufen und sie anschließend, möglicherweise auch erst nach erfolgter Instandsetzung, wieder verkaufen. Oftmals werden die gebrauchten Gegenstände von privaten Kunden in Zahlung genommen und anschließend weiterverkauft. Wiederverkäufer dürfen aber auch neue Waren verkaufen.
Was sind die Besonderheiten der Differenzbesteuerung?
Differenzbesteuerung bedeutet, dass nicht der Umsatz, sondern lediglich die Differenz zwischen dem Verkaufs- und dem Einkaufspreis umsatzbesteuert wird. Anwenden kann der Wiederverkäufer die Differenzbesteuerung, wenn er Waren erworben hat, für die der Verkäufer entweder keine Umsatzsteuer schuldet oder selbst die Differenzbesteuerung angewendet hat. Das betrifft natürlich vor allem den Erwerb von privaten Personen. In diesem Fall kann der Unternehmer mangels in Rechnung gestellter Umsatzsteuer auch keinen Vorsteuerabzug geltend machen. Durch die Differenzbesteuerung wird vermieden, dass der Verkauf von Waren, die insbesondere von Privatpersonen über einen gewerblichen Händler weiterverkauft werden, voll der Umsatzsteuer unterliegt.
Wann darf ein Unternehmer die Differenzbesteuerung anwenden?
Die Differenzbesteuerung darf nur angewendet werden, wenn der Unternehmer Waren einkauft, für die kein Vorsteuerabzug infrage kommt. Das betrifft neben dem Erwerb von Privatpersonen auch den Erwerb von umsatzsteuerlichen Kleinunternehmern. Das sind Unternehmer, die im Vorjahr Umsätze von nicht mehr als 22.000 Euro erzielt haben und im laufenden Jahr voraussichtlich nicht mehr als 50.000 Euro Umsatz erzielen werden.
Hinweis: Die Waren dürfen nicht für den Eigengebrauch bestimmt sein. Es ist zwingend erforderlich, dass der Unternehmer die Waren weiter veräußern und durch den Verkauf einen Gewinn erzielen will. Der Wiederverkäufer muss die Waren also für sein Unternehmen erworben haben. Die Differenzbesteuerung ist daher nicht anwendbar, wenn er Gegenstände privat kauft oder erbt und sie danach in sein Unternehmen einlegt.
Gilt die Kleinunternehmerregelung auch bei Differenzbesteuerung?
Auch Unternehmer, die die Differenzbesteuerung anwenden, können umsatzsteuerlicher Kleinunternehmer sein. Um zu prüfen, ob sie die relevanten Umsatzgrenzen eingehalten haben, sind bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes die vereinnahmten Entgelte heranzuziehen und nicht nur die Differenzbeträge.
Kann die Differenzbesteuerung für alle Waren angewendet werden?
Wer mit Edelsteinen oder Edelmetallen handelt, kann die Differenzbesteuerung nicht anwenden. Für Kunstgegenstände, Sammlungsstücke und Antiquitäten sind Besonderheiten zu beachten. Und auch beim Handel mit Gebrauchtwagen ist Vorsicht geboten, wenn die Differenzbesteuerung angewendet werden soll.
Welcher Umsatzsteuersatz ist anzuwenden?
Bei der Differenzbesteuerung ist immer der Regelsteuersatz anzuwenden, derzeit also 19 Prozent. Die Umsatzsteuer ist auf die Nettodifferenz zu entrichten. Aus der Differenz zwischen Ver- und Einkaufspreis muss also die Umsatzsteuer zunächst herausgerechnet werden.
Beispiel: Ein gewerblicher Onlinehändler hat einen gebrauchten Gegenstand für 1.000 Euro von einer Privatperson eingekauft und für 1.500 Euro verkauft. Die Differenz beträgt also 500 Euro. Aus diesem Betrag sind 19 Prozent Umsatzsteuer herauszurechnen. Die Bemessungsgrundlage für Differenzbesteuerung beträgt also 420,17 Euro (und nicht 500 Euro). Die darauf anfallende und an das Finanzamt abzuführende Umsatzsteuer beträgt 79,83 Euro.
Wann kann nach der Gesamtdifferenz besteuert werden?
Für Wiederverkäufer gibt es eine weitere Erleichterung: die Besteuerung nach der Gesamtdifferenz. Das bedeutet, dass alle Umsätze eines Besteuerungszeitraums nach dem Gesamtbetrag bemessen werden, um den die Summe der Verkaufspreise die Summe der Einkaufspreise dieses Zeitraums übersteigt. Diese Besteuerung nach der Gesamtdifferenz ist allerdings nur bei solchen Gegenständen zulässig, deren Einkaufspreis 500 Euro nicht übersteigt. Der Händler kann entscheiden, ob er nach der Gesamtdifferenz besteuert. Rosinenpicken gibt es allerdings nicht. Die Gesamtdifferenz gilt einheitlich für die gesamten innerhalb eines Besteuerungszeitraums ausgeführten Lieferungen von Gegenständen mit Einkaufspreisen bis zu einschließlich 500 Euro. Ein Wechsel von der Ermittlung nach der Einzeldifferenz zur Gesamtdifferenz und umgekehrt ist immer nur zu Beginn eines Kalenderjahres zulässig. Es kann aber jedes Jahr neu entschieden werden.
Was passiert bei Gegenständen mit Einkaufspreisen über 500 Euro?
Für Gegenstände mit einem Einkaufspreis über 500 Euro muss immer die Einzeldifferenz ermittelt werden. Unabhängig davon kann der Händler entscheiden, alle Gegenstände mit Einkaufspreisen bis zu 500 Euro nach der Gesamtdifferenz zu besteuern.
Beispiel: Ein Onlinehändler hat sich zu Beginn des Wirtschaftsjahres entschieden, die Differenzbesteuerung nach der Gesamtdifferenz vorzunehmen. Im März erwirbt er Einrichtungsgegenstände aus einer Haushaltsauflösung für 1.500 Euro. Dazu gehört ein antiker Schreibtisch mit einem geschätzten anteiligen Einkaufspreis von 800 Euro und ein Schrank mit einem geschätzten Einkaufspreis von 300 Euro.
Der Onlinehändler muss beim Weiterverkauf des Schreibtisches die Bemessungsgrundlage für die Differenzbesteuerung nach der Einzeldifferenz ermitteln. Da der geschätzte Einkaufspreis für den Schrank mit 300 Euro unter 500 Euro liegt, kann und muss der Onlinehändler für ihn die Bemessungsgrundlage nach der Gesamtdifferenz ermitteln, da er diese Besteuerung zu Beginn des Wirtschaftsjahres gewählt hat. Das Gleiche gilt für die restlichen Einrichtungsgegenstände, da ihr Anteil am Gesamtpreis insgesamt nur 400 Euro beträgt.
Welche Erleichterungen gibt es beim Erwerb aus Haushaltsauflösungen?
Wiederverkäufer werben oftmals ihre Waren aus Haushaltsauflösungen. Typisch ist dabei, dass sie dabei nicht einzelne Gegenstände erwerben, sondern für alle erworbenen Gegenstände einen Gesamtpreis entrichten. In diesem Fall gibt es eine Erleichterung. Bis zu einem Gesamteinkaufspreis von 500 Euro kann aus Vereinfachungsgründen von der Ermittlung der auf die einzelnen Gegenstände entfallenden Einkaufspreise abgesehen werden. Übersteigt der Gesamteinkaufspreis 500 Euro, ist der auf die einzelnen Gegenstände entfallende Einkaufspreis zu schätzen.
Was ist bei der Ausstellung von Rechnungen zu beachten?
Wenn die Differenzbesteuerung angewendet wird, darf in der Rechnung keine Umsatzsteuer ausgewiesen werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob an einen privaten Verbraucher oder einen Unternehmer geliefert wird. Also auch dann, wenn der Käufer ein zum Vorsteuerabzug berechtigter Unternehmer ist. Weist ein Wiederverkäufer dennoch in einer Rechnung Umsatzsteuer gesondert aus, dann schuldet er diese Steuer neben der Steuer aus der Differenz. Er müsste also zweimal Umsatzsteuer zahlen.
In Rechnungen für Lieferungen, für die die Differenzbesteuerung angewendet wurde ist daher die Angabe „Gebrauchtgegenstände/Sonderregelung“ aufzunehmen.
Welche Aufzeichnungspflichten müssen Wiederverkäufer beachten?
Unternehmer, die die Differenzbesteuerung anwenden, müssen über die Bemessungsgrundlagen für die Differenzbesteuerung und die Ermittlung der Nettodifferenzen besondere Aufzeichnungen führen. Dazu gehören die Verkaufspreise, die Einkaufspreise und die Bemessungsgrundlagen für die Umsatzsteuer. Wendet ein Wiederverkäufer neben der Differenzbesteuerung auch die Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften an, muss er hierfür getrennte Aufzeichnungen führen.