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Der Landwirt und sein Agrarberater

Das Grüne Mandat – Natur Konkret-Gründer Guido Leutenegger und ETL Agrar & Forst-Leiter Benjamin Hummel im Gespräch
Der Landwirt und sein Agrarberater
Aktuelles
11.09.2023

Der Landwirt und sein Agrarberater

Das Grüne Mandat – Natur Konkret-Gründer Guido Leutenegger und ETL Agrar & Forst-Leiter Benjamin Hummel im Gespräch

Guido Leutenegger und Benjamin Hummel sind ein besonderes Gespann. Seit Dezember 2022 arbeiten Beide zusammen und können schon jetzt auf eine bewegte Zeit zurückblicken. Den Landwirt und seinen Agrarberater von ETL Agrar & Forst eint mehr als das Geschäftliche. Beide Männer sind leidenschaftliche und versierte Branchenkenner und wissen um die Notwendigkeit, aber auch die Herausforderung von nachhaltiger und zugleich wirtschaftlich erfolgreicher Produktion. Wir treffen die Beiden im Rahmen unserer Kampagne zum Grünen Mandat auf Leuteneggers Hof im Teichland Linum. Beim Gespräch mit uns blicken sie auf ihr Kennenlernen zurück, sprechen über die weitere Entwicklung ihrer Zusammenarbeit und werfen einen Blick auf die Schwierigkeiten und Anreize, nachhaltige Landwirtschaft zu betreiben und dabei Wagnisse einzugehen – allen Hürden zum Trotz.

Benjamin, ihr habt euch erst vor etwas mehr als einem halben Jahr kennengelernt. Nun treffen wir euch mitten in den Gesprächen über den weiteren Ausbau eurer Zusammenarbeit. Wie kam es zum Erstkontakt mit Guido Leutenegger und Natur Konkret?
Benjamin Hummel: Unsere Zusammenarbeit steckt noch in den Kinderschuhen, könnte man sagen. Sie begann am 10. Dezember 2022. Damals kontaktierte mich ein langjähriger ETL Agrar & Forst-Mandant und fragte, ob wir Zeit und Interesse hätten, einen ganz besonderen Betrieb, nämlich Natur Konkret in Brandenburg, zu unterstützen. Genau genommen ging es um die Beantragung der Fördergelder, die Guido für sich geltend machen kann. Dabei handelt es sich aber nicht nur um ein enorm kompliziertes Verfahren, was damals einem fast schon aberwitzigen Zeitdruck unterlag. Die Frist der Anträge läuft jedes Jahr am 15. Dezember ab. Wir hatten also fünf Tage Zeit, das Anliegen zu überdenken und umzusetzen.

Warum habt ihr euch auf dieses „Himmelfahrtskommando“ eingelassen?
BH: Aus Überzeugung. Ich kannte einen der drei Betriebe, nämlich den in Lütte, aus der Zeit, bevor Guido ihn erworben hat. Ich wusste also um die Begebenheiten und Schwierigkeiten. Was Guido damit vorhat, imponiert mir aber und reizt einen als Agrarberater auch, da mitzuwirken. Letztlich plädierte meine Mitarbeiterin Janine Paulke entscheidend für eine Unterstützung bei den Anträgen, weil auch sie die Idee hinter Natur Konkret faszinierte. Wir sagten uns also: „Wir schaffen das!“.

Und das habt ihr getan …
BH: … mit abendfüllender Arbeit, stundenlangen Videokonferenzen und viel Freude. Dabei sahen wir schnell das Potenzial, was in Guidos Visionen aus Beratersicht liegt.
Guido Leutenegger: Ich möchte unterstreichen, dass es nicht nur eine tolle Zusammenarbeit war und bis heute ist, weil Benjamin Hummel buchstäblich im letzten Moment eingestiegen ist. Ich kenne andere Agrarberater, die meinen, sie müssten unseren speziellen Weg und die eine oder andere Besonderheit kommentieren und uns ausreden. Er nicht … .

„Manchmal dachte ich mir schon: ‚Was mache ich hier eigentlich?‘“

Gab es Momente, in denen du die Entscheidung bereut hast, Benjamin?
BH: Nein. Aber Guido ist schon speziell; das weiß er auch (lacht). Eben weil er sehr leidenschaftlich und ambitioniert sein Vorhaben umsetzt, nachhaltige Landwirtschaft zu betreiben – und dabei keine Experimente scheut. Als er mir die Idee unterbreitete, Fördergelder für eine Rosenkohlzucht als Nahrungsmittel für die ortsansässige Großtrappe zu beantragen, dachte ich mir schon: „Was mache ich hier eigentlich?“.
GL (lacht): Ich rechne es ihm hoch an, dass er zwar die Augen dabei verdrehte, unser Vorhaben aber nicht wertend kommentierte. Benjamin und sein Team begegnen uns immer professionell, voller Respekt und Wertschätzung.

Obwohl ihr euch zu Beginn nur in Videokonferenzen begegnet seid, habt ihr eure Zusammenarbeit intensiviert und weiter ausgebaut. Wie kam es dazu?
GL: Anfang des Jahres lud ich zu einem Hoffest für die ortsansässige Bevölkerung ein. Und auf einmal tauchte dort auch Benjamin auf, stellte sich vor und zeigte ein großes Interesse an unseren Betrieben, weit über seinen Job hinaus. Das hat mich sehr beeindruckt. Derzeit stecken wir in vielen persönlichen Gesprächen weitere Geschäftsfelder ab und überlegen, wie wir gemeinsam weiter vorgehen, um aus unseren Visionen das Beste herauszuholen. Denn so stolz wir zum Beispiel auf unser Experiment sind, hier im Teichland Linum den nördlichsten Reisanbau der Welt zu wagen, müssen wir auch damit mittelfristig schwarze Zahlen schreiben.
BH: Wir lügen uns beide nicht in die Tasche. Es ist ein guter Ansatz, aber es liegt ein schwieriger Weg vor Guido, um damit dauerhaft gesichert schwarze Zahlen zu schreiben. Aber wir von ETL Agrar & Forst sind der Meinung: Es braucht solche Pioniere und Innovationen. Auch wenn Brandenburg, um ein Beispiel zu nennen, nicht mehr zum großen Reisproduzenten werden wird.

Was ja auch nicht das Ziel ist …
GL: Natürlich nicht. Aber wenn man das trotzdem ausprobiert und sich dabei glaubhaft für die Biodiversität vor Ort einsetzt – seien es Libellen, Kraniche oder Großtrappen – dann überlässt man dem Verbraucher die Entscheidung darüber, ob ihm dies auch preislich etwas wert ist.

„Darüber, wie die Landwirtschaft und Tierhaltung aussehen, findet jeden Tag an der Supermarktkasse eine Volksabstimmung statt.“

Dabei kommt es vermutlich stark auf die Vermarktung der eigenen Produkte und der eigenen Überzeugungen an. Ihr betreibt diese Vermarktung in Eigenregie ohne Agentur oder Marketingabteilung im Hintergrund. Wie groß ist die Herausforderung?
GL: Das ist natürlich eine sehr große Herausforderung. Aber wir sind voller Leidenschaft und Überzeugung.
BH: Tue Gutes und sprich darüber!
GL: Aber es muss dann auch stimmen, was man den Leuten erzählt!

Guido, du setzt dich mit deinen Geschichten gezielt der Öffentlichkeit aus. Das führt dazu, dass deine Projekte stets kritisch beäugt und diskutiert werden.
GL: Sicher. Manche warten vielleicht regelrecht darauf, dass wir scheitern. Das kann auch passieren. Dessen sind wir uns bewusst. Aber dafür hat man ja einen Agrarberater (lacht).
BH: JETZT ist der richtige Moment, mit diesen Konzepten und Geschichten an die Öffentlichkeit zu gehen. Der Klimawandel ist Realität. Viele Menschen beschweren sich, dass zu wenig dagegen getan wird. Auch die Landwirtschaft ist Adressat dieser Kritik. Gleichzeitig setzt der Verbraucher mit seinen Kaufentscheidungen immer ein Statement, was ihm nachhaltige Lebensmittelproduktion tatsächlich wert ist. Hier hat jeder von uns eine gute Möglichkeit, aktiv am Wandel mitzuwirken.
GL: Die Konsumenten haben in meinen Augen die größte Macht. Darüber, wie die Landwirtschaft und Tierhaltung aussehen, findet jeden Tag an der Supermarktkasse eine Volksabstimmung statt. Wer etwa möchte, dass Nutztiere auf der Weide gehalten werden, sollte bei den Landwirten einkaufen, die das tun.

Wobei das immer auch eine Frage der individuellen Kaufkraft ist …
GL: Und davor habe ich großen Respekt. Es gibt jedoch genügend Menschen, die die Mittel dazu hätten, es aber dennoch nicht tun.
BH: Auf dem Weg hier zum Hof habe ich im Radio passenderweise ein Interview zu einer aktuellen Greenpeace-Studie gehört, wonach zum jetzigen Zeitpunkt 86 Prozent der Fleischprodukte in Supermärkten immer noch vorwiegend aus den Haltungsformen 1 und 2 stammen. Aber viele, die im Supermarkt Fleisch an der Frischetheke kaufen, haben auch keine Informationsgrundlage. Das Bewusstsein der Konsumenten ist das eine, die Transparenz das andere. Letztere bekommst du nur beim Landwirt um die Ecke.
GL: Ich bin davon überzeugt, dass der Landwirt eigentlich immer Direktvermarkter sein müsste. Es gibt nicht viele, die das tun. Die Gründe dafür sind vielfältig und sind Resultat wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklungen. Aber manche Konsumenten wollen einfach auch nicht wissen, was es mit dem Rind oder Schwein aus Haltungsstufe 1 so auf sich hat.

Heutzutage kann eigentlich niemand mehr behaupten, dass er überhaupt keine Ahnung von Tierhaltung hätte. Alle Informationen liegen doch auf dem Tisch. Beinahe täglich kann man Schock-Berichte über Massentierhaltung im Fernsehen verfolgen.
GL: Früher hatte ich nach jedem Enthüllungsbericht die Illusion, der Umsatz solcher Betriebe müsse direkt am nächsten Tag einbrechen. Diese Naivität habe ich mir abgewöhnt.
BH: Guido, was du da kritisierst, verstehe ich total. Aber ich bin skeptisch, ob Direktvermarktung tatsächlich für jeden Landwirt eine ökonomisch machbare Option ist. Aus Beratungsperspektive würde ich das zum jetzigen Zeitpunkt verneinen. Ich kenne viele Betriebe, die es mit Direktvermarktung versucht haben. Aber das ist teuer. Es braucht Personal, Energie, Infrastruktur … .
GL: Ich stimme zu. Aber ich habe keineswegs den Anspruch, für die gesamte Landwirtschaft zu sprechen. Das wäre auch vermessen und anmaßend. Ich kann nur erläutern, warum wir welches Konzept verfolgen und wieso es zu dem jeweiligen Betrieb passt. Und ich glaube das auch gut begründen zu können. Aber du hast Recht, Benjamin: Wie soll ein kleiner Betrieb diesen Direktvermarktungs-Ansatz ohne Hilfe stemmen können? Hinzu kommen all die gesetzlichen Vorschriften. Das drängt kleine Betriebe aktiv aus dem Markt!

„Wer als Landwirt einen ansprechenden Online-Auftritt hat, kann nicht nur ein größeres Publikum ansprechen, sondern auch mehr Verständnis in der Region für seine Arbeit, für seinen Beruf, wecken.“

Guido, wie schafft ihr es bei Natur Konkret mit der Direktvermarktung?
GL: Wir haben seit 13 Jahren einen Online-Shop. Das war damals sehr speziell für die Branche. Dadurch konnten wir, insbesondere während der Corona-Zeit, einen viel größeren Kundenstamm erreichen. Dass der Online-Auftritt so professionell und modern aussieht, ist einer Zufallsbekanntschaft zu verdanken. Damals lief im Schweizer Fernsehen ein kleiner Beitrag über uns, auf den ein Informatik-Student aufmerksam wurde und seine Hilfe beim Aufbau eines Online-Shops anbot. Zuerst dachte ich, das sei zwar nett, aber kein Must-have als Landwirt. Heute weiß ich, dass es einer meiner größten unternehmerischen Fehler gewesen wäre, nicht auf das Angebot einzugehen. Der Shop ist ein wichtiges Standbein unserer Vermarktung, mit dem wir ein überregionales Publikum ansprechen, indem wir die Geschichten hinter unseren Produkten erzählen und auf größtmögliche Vielfalt setzen.

Benjamin, ist so ein Online-Auftritt mittlerweile Standard in der Branche? Und ist dieser überhaupt in jedem Fall notwendig?
BH: Die wenigsten Betriebe mit Direktvermarktung haben einen solchen Online-Auftritt, beziehungsweise -Shop. Um es positiv zu formulieren: Die Möglichkeit, sich mit einem solchen Shop von Wettbewerbern abzuheben, ist natürlich enorm (lacht). Ich wiederhole mich: Tue Gutes und sprich darüber! Wer als Landwirt heutzutage einen ansprechenden Online-Auftritt hat – und Social Media ist hier vor allem Anderen zu nennen –, kann nicht nur ein größeres Publikum ansprechen. Er kann mit schönen Landschaftsaufnahmen und plakativen Motiven auch mehr Verständnis in der Region für seine Arbeit, für seinen Beruf, wecken.
Also: Wer etwas für die Natur und Gesellschaft tut, so wie Natur Konkret, der MUSS darüber sprechen. Sonst kommt der Landwirt in den Himmel, aber das ist auch das Einzige, was er davon hat.

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