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Bundesweites 2G Plus-Modell in Gastronomie beschlossen: Interview mit ETL ADHOGA-Leiter Erich Nagl

Bundesweites 2G Plus-Modell in Gastronomie beschlossen: Interview mit ETL ADHOGA-Leiter Erich Nagl
Aktuelles
13.01.2022 — Lesezeit: 6 Minuten

Bundesweites 2G Plus-Modell in Gastronomie beschlossen: Interview mit ETL ADHOGA-Leiter Erich Nagl

Am vergangenen Freitag, dem 07. Januar 2022, beschloss die Bund-Länder-Konferenz eine bundesweit einheitliche 2G Plus-Regelung für Restaurants, Kneipen und Cafés. Demnach dürften nur noch Menschen mit vollständiger Auffrischungsimpfung (Boosterimpfung) sowie doppelt Geimpfte und Genesene mit einem tagesaktuellen negativen Testergebnis gastronomische Einrichtungen besuchen. Der Grund: Die Omikron-Variante lässt europaweit die Infektionszahlen explodieren und wird nun auch in Deutschland zur dominanten Virus-Variante. Wann der 2G Plus-Beschluss in den einzelnen Bundesländern umgesetzt wird, ist derzeit noch offen. So hat der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff (CDU), angekündigt, die Maßnahmen vorerst nicht umzusetzen, da in seinem Bundesland die wohl weniger infektiöse Delta-Variante des Coronavirus aktuell vorherrschend sei.

Über die Bedeutung des 2G Plus-Beschlusses, die Auswirkungen auf die Gastronomie und vorhandene Hilfsmöglichkeiten angesichts der zu erwartenden wirtschaftlichen Folgen sprechen wir mit dem ETL ADHOGA-Leiter Erich Nagl:

Herr Nagl, wie reagiert die Branche auf den Beschluss zu bundesweit einheitlichen 2G Plus-Vorgaben?

Für die Gastronomie ist der Beschluss zweifelsohne bitter. Die Branche ist nach offiziellen Angaben des RKI kein Infektionstreiber, auch weil der überwältigende Teil von ihr die jeweiligen Hygienevorschriften von Anfang an vorbildlich umsetzt. Daher finde ich es schwierig, die Branche immer wieder in „Geiselhaft“ für politische Versäumnisse der Vergangenheit zu nehmen. Das ist keine glückliche Situation. Ich hoffe, dass man dem Gastgewerbe im Gegenzug bei den wirtschaftlichen Hilfen entgegenkommt und eine Perspektive gibt. Das tut man mit der Überbrückungshilfe IV, so wie sie jetzt Bestand hat, nicht.

Was bedeutet der Beschluss für die Gastronomie. Mehr Klarheit, mehr (Planungs-)Sicherheit oder mehr Probleme?

Was die Auswirkungen auf die Betriebe angeht, sieht 2G Plus in der Praxis einem Lockdown zum Verwechseln ähnlich. Ein wesentlicher Punkt: Sämtliche Spontaneität geht dabei verloren. Denn kein Mensch geht für einen schnellen Cafébesuch mal eben ins Corona-Testcenter. Das heißt das genussvolle Verweilen in gastronomischen Einrichtungen, was das Gastgebertum kennzeichnet, geht durch 2G Plus verloren.
Probleme drohen auch bei den Mitarbeitern. Hier hat die Gastronomie noch immer mit den Auswirkungen der bisherigen Lockdowns zu kämpfen. Nun, da die Branche erneut in eine unsichere Lage entlassen wird, droht ein dauerhaftes Ausbluten bei Fachkräften, das beispiellos ist.

In einigen Bundesländern gelten 2G Plus-Verordnungen ja schon seit einigen Wochen. Welche Erfahrungen haben die Gastronomen vor Ort mit dem Modell gemacht?

Die Umsetzung von 2G – auch das Kontrollieren von Gästen am Eingang – ist mittlerweile unproblematisch. Überhaupt macht die Gastronomie inzwischen Dinge mit, die früher undenkbar waren und beweist so die eigene Flexibilität. Betriebe und Gäste haben sich daran gewöhnt. Gleichwohl bringt man dabei die eigenen Mitarbeiter regelmäßig in schwierige Situationen, denn Servicekräfte sind nun mal keine Türsteher. Die Umsetzung ist also weniger das Problem. Wirtschaftlich bedeutet 2G Plus aber einen sehr heftigen Einschnitt. Spontane Besuche in Restaurants, Kneipen und Cafés sind nicht mehr möglich und selbst Firmenfeiern, die eigentlich stattfinden dürften, finden unter 2G Plus-Bedingungen in der Regel nicht mehr statt.

Welche finanziellen Hilfsangebote bestehen nun für die Betriebe und was gilt es bei der Beantragung vor allem zu beachten?

Die Überbrückungshilfe IV, mit der die Bundesregierung auch weiterhin von den Corona-Maßnahmen betroffene Betriebe unterstützen will, ist in einigen Abschnitten deutlich weniger attraktiv als die Überbrückungshilfe III Plus – und die hätte schon nicht gereicht, den nächsten Winter zu überleben.
Die Hilfen machen einen großen Unterschied zwischen kleinen und Kleinstunternehmen versus verbundenen und größeren Unternehmen. So ist letzteren durch die Bundesregelung allgemeiner Schadensausgleich Covid-19 z.B. die vorübergehende Schließung des Betriebes versagt. Doch auch sie leiden in der Pandemie. Zwar sind ihre Reserven größer, doch nach fast zwei Jahren sind die auch aufgebraucht. Zudem stellt u.a. die Streichung der Förderung baulicher Maßnahmen zur Umsetzung eines Hygienekonzeptes sowie die der Digitalisierungsmaßnahmen in der Überbrückungshilfe IV eine Einschränkung gegenüber der Überbrückungshilfe III Plus dar. Solange aber die Pandemie andauert mutet es widersinnig an, diese Unterstützung zurückzufahren bzw. einzustellen.

Zugleich gibt es aber neue Regelungen, die man der Ü IV zugutehalten muss. So können jetzt Sach- und Personalkosten für die Umsetzung von Corona-Zutrittsbeschränkungen geltend gemacht werden. Wer hier die Personalkosten von eigenen Mitarbeitern anrechnet, muss drauf achten, dass er diese nicht versehentlich doppelt abrechnet. Vorsicht Falle Subventionsbetrug! Wenn also Betriebe internes oder externes Personal für die Kontrolle der jeweiligen Zutrittsbedingungen eingestellt haben, können diese Kosten angesetzt werden. Allerdings müssen die Betriebe dies ganz genau dokumentieren und nachweisen! Hier kann man gar nicht zu viel dokumentieren.

Der Branchenverband DEHOGA nannte den Beschluss „eine Katastrophe“. Prominente TV-Köche wie Christian Rach oder Tim Mälzer, aber auch DIE LINKE, haben einen auf 2-3 Wochen begrenzten vollständigen Lockdown statt eines 2G Plus-Modells ohne absehbares Ende ins Spiel gebracht. Wäre das eine sinnvolle Alternative?

Die Berliner Bürgermeisterin Franziska Giffey hat es ja ganz offen und ehrlich durchblicken lassen, wofür man ihr fast dankbar sein muss: Die aktuellen Bund-Länder-Beschlüsse zielen primär darauf ab, das Boostern voranzubringen. Nicht umsonst soll es Ausnahmeregelungen für Geboosterte in der Gastronomie geben. Wenn diese Rechnung aufgeht, würde eine signifikante Zahl der Menschen Ende Januar geboostert sein, was für die Gastronomie dann eine Rückkehr zum „New Normal“ bedeuten würde.

Ein von oben festgelegter vorübergehender Lockdown mit entsprechenden Ausgleichszahlungen wäre zu begrüßen, weil er Klarheit schafft. Dafür fehlt aber der rechtliche Unterbau. Zudem will man vonseiten der Entscheidungsträger eine solche Alternative für die Gastronomie nicht. Begründet wird es nicht – es liegt nahe, dass es am Geld liegt.

Welche Perspektive hat die Branche nun?

Von Planungssicherheit hat man sich in der Gastronomie weitestgehend verabschiedet. Dafür ändert sich die Lage zu schnell. Ich sehe nach wie vor eine grobe Ungleichbehandlung zwischen der Gastronomie und anderen Branchen, denn die Studie, wonach das Gastgewerbe der maßgebliche Pandemietreiber wäre, die sähe ich gerne einmal. Daher empfinde ich anderslautende Darstellungen in der Öffentlichkeit als nicht in Ordnung. Diese sagen mehr über den Sprecher als über das Besprochene aus.

Wünschenswert wäre, wenn die Worte des jetzigen Bundeskanzlers und damaligen Finanzministers Olaf Scholz umgesetzt würden, wonach die Mehrwertsteuer für gastronomische Leistungen nicht wieder angehoben wird. Auch über die steigenden Energiekosten, die durch die EEG-Umlage weiter nach oben getrieben, müsste geredet werden, da diese die Mehrwertsteuer-Senkung wieder auffressen.

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