„Arbeitgeber müssen transparenter mit Bewerbern und Mitarbeitern kommunizieren“
Im ETL ADVISION Fachkräftekompass Heilmittel beleuchten zahlreiche Experten aus dem Heilmittelbereich die Fachkräfte-Situation, einer von ihnen ist Dr. Peer Medau. Seit 2010 ist er Geschäftsführer einer Berufsfachschule für Physiotherapie, Gymnastik, Logopädie und Ergotherapie. Er kennt die Situation der Berufseinsteiger genau und weiß, worauf es bei der Gewinnung von Schülern nach der Ausbildung ankommt.
Herr Dr. Medau, innerhalb der letzten 10 Jahre stieg die Zahl der Azubis für Gesundheitsberufe kontinuierlich an. Ist damit die Zukunft der Therapeuten gesichert?
Es ist definitiv eine gute Entwicklung und zeigt, dass weiterhin großes Interesse an Gesundheitsberufen besteht. Aber das sichert die Zukunft nicht, denn wir brauchen viel mehr Fachkräfte. Insbesondere die Heilmittelerbringer sind typische Frauenberufe, in denen die Belastung durch Elternzeit und Teilzeit höher ist. Um das auszugleichen, brauchen wir viel mehr Fachkräfte.
Worin sehen Sie den Knackpunkt, weshalb es für Praxen so schwierig ist, junge Berufsanfänger erreichen?
Wir haben eine Masse an Praxen, die sich um wenige Schüler bewerben. Da ist es schwieriger, sich bemerkbar zu machen. Die Schüler werden regelrecht überrannt von einer Welle mit Jobangeboten, noch bevor sie überhaupt fertig ausgelernt sind. Sie haben die freie Wahl. Damit haben vor allem kleinere Praxen zu kämpfen, denn diese müssen sich gegen große Praxen und Kliniken behaupten, haben aber nicht die nötigen Ressourcen. Gerade kleinen Praxen fehlen die zeitlichen und finanziellen Mittel, um online präsent zu sein. So werden sie nicht von potentiellen Bewerbern wahrgenommen.
Gen Z hat neue Vorstellungen von einem Arbeitsverhältnis. Sind die Ansprüche dieser Generation an Arbeitgeber einfach zu hoch oder befinden sich hier letztere unter Zugzwang?
Beides trifft zu. Die Arbeitgeber müssen tun, was sie können und sich neue Ideen einfallen lassen, um das Interesse an ihrer Praxis zu wecken. Dem entgegen stehen allerdings die erhöhten Erwartungen der Bewerber. Diese Dimensionen sind teilweise schlichtweg nicht umsetzbar, weil wir mit den Kassensätzen schnell an unsere Grenzen stoßen. An dieser Stelle ist Verständnis auf beiden Seiten wichtig. Die Wünsche der Bewerber sind nachvollziehbar, aber als Arbeitgeber muss man schauen, dass sich das wirtschaftlich noch rentiert. Ich kann nicht alles erfüllen, das ist leider nicht mehr kostendeckend. Alle Arbeitgeber sind unter Druck, alle suchen händeringend und versuchen das Maximum herauszuholen, aber die Ressourcen sind eben endlich. Man muss versuchen, einen Mittelweg zu finden und transparent zu erklären, was geht und was nicht.
Aktuell werden Stimmen sowohl für als auch gegen eine Vollakademisierung laut. Warum sprechen Sie sich für eine Teilakademisierung aus?
Ist es denn sinnvoll, ein bestehendes System komplett zu stoppen und ein neues zu starten, obwohl unsere Ausbildung eine so hohe Qualität hat? Zwar sind andere Länder akademisiert, aber das heißt noch lange nicht, dass wir schlecht sind. Im Gegenteil: viele Länder beneiden uns um unser Ausbildungssystem. Statt es abzuschaffen, sollten wir uns fragen, was gut ist und was wir verbessern können. Berufsfachschulen und hochschulische Ausbildungen können wir kombinieren, ineinander verzahnen, so dass sie sich ergänzen. Das wäre der Idealzustand. Die Potentiale sind vorhanden, wir müssen sie nur weiterentwickeln und nicht gegeneinander arbeiten. Wir wollen alle das Beste für den Beruf und damit letztlich für die Patienten.
Wie Praxen Berufseinsteiger erreichen können und welche Werte Gen Z bei einem Arbeitsverhältnis besonders wichtig sind, erklärt Dr. Peer Medau ausführlich im Fachkräftekompass Heilmittel.
Die ausführliche Studie mit allen grafischen Visualisierungen, Trendanalysen und Empfehlungen ist hier abrufbar.