Anschein der privaten Kfz-Nutzung ist widerlegbar
Immer wieder gibt es bei Betriebsprüfungen Diskussionen mit dem Finanzamt um das betriebliche Fahrzeug und den privaten Eigenverbrauch. Befinden sich im Anlagevermögen betriebliche Kraftfahrzeuge, schauen Prüfer regelmäßig nach der Besteuerung der Privatnutzung dieses Fahrzeugs. In der Regel reicht es bereits aus, dass die Möglichkeit einer Privatnutzung besteht. Dann werden 1 % des Bruttolistenpreises bei Erstzulassung für jeden Monat der Nutzungsmöglichkeit angesetzt und besteuert. Ein geringerer Eigenverbrauch kann durch ein ordnungsmäßiges Fahrtenbuch nachgewiesen werden.
Diese Auffassung der Finanzverwaltung basiert auf der allgemeinen Lebenserfahrung, wonach vorhandene Möglichkeiten in der Regel auch genutzt werden. So stellten bereits 2012 die obersten Richter des Bundesfinanzhofes fest, dass dienstliche oder betriebliche Fahrzeuge, die zur privaten Nutzung bereitstehen, in der Regel auch tatsächlich privat genutzt werden.
Doch dieser erste Anschein kann widerlegt werden. Das ist allerdings bereits mit ordnungsmäßigem Fahrtenbuch nicht einfach. Ohne Fahrtenbuch ist es doppelt so schwer. Der Verweis darauf, dass dem Steuerpflichtigen bereits ein Fahrzeug im Privatvermögen zur Verfügung steht, reicht nicht aus. Vielmehr müssen sich betriebliches und privates Fahrzeug in Status und Gebrauchswert vergleichbar gegenüberstehen. Je geringer der Unterschied zwischen den Fahrzeugen hierbei ist, umso leichter lässt sich der Anscheinsbeweis widerlegen.
In einem aktuellen Urteil des Finanzgerichts Niedersachsen konkretisierten die Richter die Begriffe Status
und Gebrauchswert
im Zusammenhang mit der Nutzung von Fahrzeugen. Danach haben Fahrzeuge einen vergleichbaren Gebrauchswert, wenn sie für bestimmte Funktionen oder Zwecke gleichermaßen nutzbar sind. Dabei sind Motorleistung, Hubraum, Höchstgeschwindigkeit ebenso zu vergleichen, wie die Ausstattung der Fahrzeuge. Zu den Ausstattungskriterien gehören auch das Kofferraumvolumen und das gesamte Raumangebot. Der Status der Fahrzeuge ist unter Prestigegesichtspunkten zu beurteilen.
Im Urteilsfall befand sich ein Fiat Doblò Easy 2.0 16V Multijet (Neuwagenlistenpreis: 22.700 Euro, Baujahr Januar 2012) im Anlagevermögen einer GmbH & CoKG. Das Unternehmen hatte für diesen Pkw keinen Eigenverbrauch berechnet, da der einzige Kommanditist einen Mercedes Benz C 280 T (Neuwagenlistenpreis: umgerechnet 45.707 Euro, Baujahr Juli 1997) im Privatvermögen hielt und mit diesem seine privaten Fahrten erledigte. Ein Fahrtenbuch wurde für den betrieblichen Fiat nicht geführt. Zwar bestätigte das Gericht, dass das betriebliche Fahrzeug durchaus geeignet ist, auch privat genutzt zu werden. Immerhin bewirbt der Hersteller den Fahrzeugtyp als geräumiges Familienauto. Dennoch sahen die Finanzrichter den für eine Privatnutzung des Fiat sprechenden ersten Anschein als erschüttert an, da mit dem Mercedes ein in Status und Gebrauchswert vergleichbares Fahrzeug im Privatvermögen vorhanden war. Das Argument des Finanzamtes, dass der Fiat einen wesentlich größeren Kofferraum besaß, änderte nichts an der Entscheidung der Finanzrichter. Da der Kommanditist in den Streitjahren alleinstehend war, konnte der größere Kofferraum nicht mit einer wesentlichen Erweiterung der Nutzungsmöglichkeiten – Nutzung als Familienauto mit Transportmöglichkeit für größere Gepäckmengen – überzeugen. Zudem konnte der Mercedes neben der besseren technischen Ausstattung auch hinsichtlich Status und Prestige punkten, welcher im Kaufpreisunterschied sichtbar wird.
Hinweis: Ob der erste Anscheinsbeweis durch Gegenargumente entkräftet werden kann, wird auch weiterhin vom jeweiligen Einzelfall und den konkreten Lebensumständen abhängen. Daher bietet das Urteil des Finanzgerichts keine Rechtssicherheit. Aber es hat die Vergleichskriterien weiter konkretisiert. Wer der Diskussion aus dem Weg gehen will, sollte über ein elektronisches Fahrtenbuch nachdenken.